Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 258 |
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| 01 | sind. Auch trifft man in einigen Höhlen eine sehr warme Luft an, | ||||||
| 02 | die von einer Schicht Schwefelkies, die von ohngefähr entblößt worden | ||||||
| 03 | und den die freie Luft ausgewittert hat, entsteht. Aus diesem Kies wird | ||||||
| 04 | der meiste Schwefel, den wir haben, gewonnen. So führt de Merou an, | ||||||
| 05 | daß, als die Leute in ein Bergwerk kamen, die Luft daselbst kalt war, | ||||||
| 06 | weiterhin nahm die Wärme zu, so daß sie endlich glaubten, unten müsse | ||||||
| 07 | ein Feuer sein. Allein wenn die Hitze in derselben Proportion hätte zunehmen | ||||||
| 08 | sollen, so müßte sie im Centrum, da hier nur eine kleine Tiefe | ||||||
| 09 | war, etliche tausend Mal stärker gewesen sein. Im Rammelsberge, der | ||||||
| 10 | zum Harzgebirge gehört, ist es eben so heiß und eine Quelle dagegen | ||||||
| 11 | auf ihm so kalt, daß man das Wasser derselben nicht an den Fuß bringen | ||||||
| 12 | kann. Diese große Kälte ist eine Wirkung von dem Hindurchströmen des | ||||||
| 13 | Wassers durch Gyps und Steine. Der vorhin genannte Verfasser bemerkt | ||||||
| 14 | auch, daß die Hitze in dem Bergwerke, von dem er redete, erst entstanden | ||||||
| 15 | sei, als die Schachten angelegt wurden, welche den Schwefelkies entblößten. | ||||||
| 16 | Der schädlichste Dampf ist der sogenannte Bergschwaden, welcher | ||||||
| 17 | allein genommen tödtlich, mit andern Materien aber versetzt gesund, ja, | ||||||
| 18 | der beste unter allen Bestandtheilen der Gesundbrunnen ist. Ein Vogel, | ||||||
| 19 | der über eine mit Bergschwaden angefüllte Höhle fliegt, so wie der Mensch, | ||||||
| 20 | der ihr zu nahe kommt, stirbt augenblicklich. Es befindet sich dieser Bergschwaden | ||||||
| 21 | auch öfters in alten Brunnen, wie man diese Erfahrung vor | ||||||
| 22 | mehreren Jahren in Litthauen bei dem Ausgraben eines solchen Brunnens | ||||||
| 23 | machte. Zur Vorsicht muß man ein brennendes Licht in den Brunnen | ||||||
| 24 | herunterlassen; wenn dieses ausgeht, so gilt das als eine Anzeige von dem | ||||||
| 25 | wirklichen Dasein des Bergschwadens, brennt es dagegen fort, so ist er | ||||||
| 26 | davon befreit. | ||||||
| 27 | Anmerkung. Höhlen sind Vertiefungen, meistens in Kalkgebirgen, mit | ||||||
| 28 | mehr oder minder ausgedehnten Gewölben und Gängen. Die Entstehung solcher | ||||||
| 29 | Höhlen beruht bald auf Ausspülungen durch Wasser, bald auf unterirdischen Feuerausbrüchen. | ||||||
| 30 | Die Zahl derselben auf der Erde ist überaus groß, wenn auch nicht | ||||||
| 31 | alle gleich merkwürdig sind. Zu den merkwürdigsten gehören außer der Baumannshöhle | ||||||
| 32 | im Harz die Tropfsteinhöhle bei Slains in Nordschottland, | ||||||
| 33 | die Fingalshöhle auf der Insel Staffa, die Höhle auf Antiparos (s. Rink, | ||||||
| 34 | neue Sammlung der Reisen nach dem Orient. Th. I S. 83 u. f.), die | ||||||
| 35 | Höhle auf Candia oder das Labyrinth (s. das eben angeführte Buch a.a.O. | ||||||
| 36 | S. 24 u. f.) und die ihrer schädlichen und warmen Dämpfe wegen berühmte | ||||||
| 37 | Hundsgrotte in Italien unfern Neapel. Von den im Paragraph erwähnten | ||||||
| 38 | Auswüchsen in den Wänden solcher Höhlen eingeritzter Inschriften giebt das | ||||||
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