Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 257 |
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| 01 | Marmors höher wird, und ein jeder nach seiner Einbildung bald dieses | ||||||
| 02 | bald jenes darin wahrnimmt. | ||||||
| 03 | Noch ist eine besondere Höhle zu merken, in der viele Namen eingeätzt | ||||||
| 04 | sind, die nun über dem Steine erhöht stehen. Dieses scheint offenbar | ||||||
| 05 | eine Materie vorauszusetzen, die aus dem Steine vermittelst des Einritzens | ||||||
| 06 | hervorgedrungen und durch die Länge der Zeit verhärtet worden | ||||||
| 07 | ist, woraus man füglich auf ein Wachsthum der Steine geschlossen hat. | ||||||
| 08 | In dem karpathischen Gebirge befindet sich eine Höhle, in der eine | ||||||
| 09 | der auf der Oberfläche der Erde befindlichen ganz entgegengesetzte Witterung | ||||||
| 10 | angetroffen wird, so daß, wenn hier der Winter seinen Anfang | ||||||
| 11 | nimmt, die Temperatur in der Höhle milde wird, und wenn es oben am | ||||||
| 12 | stärksten friert, daselbst Gras wächst, ja, es so warm wird, daß sich die | ||||||
| 13 | wilden Thiere dahin begeben. Wenn es dahingegen an der Oberfläche | ||||||
| 14 | der Erde warm ist: so fängt es an in der Höhle kalt zu werden, bis es | ||||||
| 15 | zu der Zeit, da es oben am wärmsten wird, unten Eiszapfen friert, die | ||||||
| 16 | einer Tanne an Umfang gleichen, daher sich auch die Ungarn selbiger bedienen, | ||||||
| 17 | um ihre Getränke kalt zu erhalten. Zu diesem Endzwecke aber | ||||||
| 18 | ist nichts besser, als daß man den Krug, in dem sich das Getränk befindet, | ||||||
| 19 | mit nassen Tüchern umgebe und in den Wind hänge, da letzteres denn | ||||||
| 20 | nicht nur kalt bleibt, sondern es auch, wenn es dies noch nicht wäre, um | ||||||
| 21 | so sicherer wird. Hieraus dürfte man nicht unwahrscheinlich den Schluß | ||||||
| 22 | ziehen, daß, wenn es an einem Ende kalt wird, das andere in den Zustand | ||||||
| 23 | der Wärme übergehe. Die Wahrheit dieser allgemeinen Formel würde | ||||||
| 24 | einigermaßen Gewißheit erhalten, wenn man nur noch beweisen könnte, | ||||||
| 25 | daß, wenn es an einem Orte wärmer wird, es an dem entgegengesetzten | ||||||
| 26 | Orte auch in der That kälter werde. - Die Thermometer zeigen in einer | ||||||
| 27 | Schmiede, in der es heiß geworden ist, Kälte an, und ein heißes Eisen | ||||||
| 28 | wird an dem einen Ende noch heißer, wenn man das andere Ende in | ||||||
| 29 | kaltes Wasser steckt. Auch hat man im Sommer einige Fuß tief Wasser | ||||||
| 30 | unter der Erde vergraben und darüber alsdann ein starkes Feuer gemacht, | ||||||
| 31 | worauf es plötzlich und zwar stark erkaltete. Demnach scheint das Feuer, | ||||||
| 32 | welches über etwas anderm angebracht wird, das unter ihm Vorhandene | ||||||
| 33 | kalt zu machen, dasjenige Feuer hingegen, welches unter etwas anderes | ||||||
| 34 | gelegt wird, eben dieses zu wärmen. Diese Erfahrung scheint gleichfalls | ||||||
| 35 | den vorhin angeführten Satz zu bestätigen. | ||||||
| 36 | Was die Luft in diesen Höhlen betrifft: so findet sich daselbst eine | ||||||
| 37 | große Menge von Dünsten, die der Gesundheit theils schädlich, theils nützlich | ||||||
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