Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 214 |
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| 01 | Strom bildet. Die Ostsee dagegen ist höher als das Nordmeer, weil der | ||||||
| 02 | Zuwachs an Wasser in derselben beträchtlicher ist als die Ausdünstung, | ||||||
| 03 | folglich geht der obere Strom heraus. Weil nun wieder das Wasser im | ||||||
| 04 | Mittelländischen Meere, eben der Ausdünstung wegen, salziger ist, also | ||||||
| 05 | auch specifisch schwerer als das Wasser im Oceane: so geht der untere | ||||||
| 06 | Strom aus jenem in diesen; dagegen aber das Wasser der Nordsee, weil | ||||||
| 07 | das in der Ostsee leichter ist, durch den untern Strom in diese eindringt. | ||||||
| 08 | Der untere Strom entsteht demnach durch den Druck des Wassers. | ||||||
| 09 | Die Säule nämlich des Wassers im Mittelländischen Meere ist schwerer, | ||||||
| 10 | weil sie salziger ist als die Säule des Oceans, folglich treibt das schwerere | ||||||
| 11 | Wasser durch den Druck das leichtere zurück. In der Ostsee ist es aus | ||||||
| 12 | derselben Ursache umgekehrt. | ||||||
| 13 | Ist also die Ausdünstung in einem Mittelmeere größer als der Zufluß: | ||||||
| 14 | so geht der obere Strom hinein und der untere Strom heraus. Ist | ||||||
| 15 | aber der Zufluß von süßem Wasser größer: so tritt der entgegengesetzte | ||||||
| 16 | Fall ein. Nach diesem Maßstabe läßt sich nun die Stromcommunication | ||||||
| 17 | aller Meere beurtheilen. | ||||||
| 18 | Anmerkung 1. Jener zwischen den Wendekreisen befindliche allgemeine | ||||||
| 19 | Strom von Osten nach Westen scheint außer der angegebenen Ursache auch | ||||||
| 20 | im Umlaufe des Mondes, so wie in dem hier fast beständig wehenden Ostwinde | ||||||
| 21 | seinen Grund zu haben, und eben dieser Strom ist wieder Ursache, daß man | ||||||
| 22 | schneller mit ihm von Amerika nach den Molukken, als gegen ihn von diesen | ||||||
| 23 | aus dorthin reist. Ein zweiter allgemeiner Strom, dessen ältere Naturforscher | ||||||
| 24 | erwähnen, der aber wahrscheinlich keinen Grund hat, nämlich von den Polen | ||||||
| 25 | aus gegen den Äquator, ließe sich, wenn er wirklich wäre, allenfalls aus der | ||||||
| 26 | starken Ausdünstung des Meeres unter dem Äquator erklären, wodurch das | ||||||
| 27 | dort befindliche specifisch schwerere Wasser unten ausweichen und dem leichtern, | ||||||
| 28 | von den Polen eindringenden Wasser oberhalb Raum machen würde. Aber | ||||||
| 29 | die bloße Axendrehung der Erde müßte schon dergleichen verhindern. | ||||||
| 30 | Anmerkung 2. Außer der Meerenge bei Gibraltar und dem Öresunde | ||||||
| 31 | hat man über und unter einander entgegenlaufende Strömungen nur noch im | ||||||
| 32 | thracischen Bosporus wahrgenommen. Ob es dergleichen auch in offener See | ||||||
| 33 | gebe, ist noch nicht gewiß, nur giebt es wirklich entgegengesetzte Strömungen | ||||||
| 34 | daselbst, doch in einiger Entfernung von einander. | ||||||
| 35 | §. 31. |
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| 36 | Wenn lange anhaltende Winde nach einem Striche gehen, so bewegen | ||||||
| 37 | sich auch die Ströme, die durch sie verursacht werden, nach einem | ||||||
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