Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 059 |
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| 01 | 1) Analytische oder synthetische Merkmale. Jene sind Theilbegriffe | ||||||
| 02 | meines wirklichen Begriffs (die ich darin schon denke), diese dagegen | ||||||
| 03 | sind Theilbegriffe des bloß möglichen ganzen Begriffs, (der also | ||||||
| 04 | durch eine Synthesis mehrerer Theile erst werden soll.) Erstere sind | ||||||
| 05 | alle Vernunftbegriffe, die letztern können Erfahrungsbegriffe sein. | ||||||
| 06 | 2) Coordinirte oder subordinirte. Diese Eintheilung der Merkmale | ||||||
| 07 | betrifft ihre Verknüpfung nach oder unter einander. | ||||||
| 08 | Coordinirt sind die Merkmale, sofern ein jedes derselben als ein | ||||||
| 09 | unmittelbares Merkmal der Sache vorgestellt wird, und subordinirt, | ||||||
| 10 | sofern ein Merkmal nur vermittelst des andern an dem Dinge vorgestellt | ||||||
| 11 | wird. Die Verbindung coordinirter Merkmale zum Ganzen des Begriffs | ||||||
| 12 | heißt ein Aggregat, die Verbindung subordinirter Merkmale eine | ||||||
| 13 | Reihe. Jene, die Aggregation coordinirter Merkmale macht die Totalität | ||||||
| 14 | des Begriffs aus, die aber in Ansehung synthetischer empirischer Begriffe | ||||||
| 15 | nie vollendet sein kann, sondern einer geraden Linie ohne Grenzen | ||||||
| 16 | gleicht. | ||||||
| 17 | Die Reihe subordinirter Merkmale stößt a parte ante , oder auf | ||||||
| 18 | Seiten der Gründe, an unauflösliche Begriffe, die sich ihrer Einfachheit | ||||||
| 19 | wegen nicht weiter zergliedern lassen, a parte post , oder in Ansehung der | ||||||
| 20 | Folgen hingegen, ist sie unendlich, weil wir zwar ein höchstes | ||||||
| 21 | genus , aber keine unterste species haben. | ||||||
| 22 | Mit der Synthesis jedes neuen Begriffs in der Aggregation coordinirter | ||||||
| 23 | Merkmale wächst die extensive oder ausgebreitete Deutlichkeit, | ||||||
| 24 | so wie mit der weitern Analysis der Begriffe in der Reihe subordinirter | ||||||
| 25 | Merkmale die intensive oder tiefe Deutlichkeit. Diese letztere Art der | ||||||
| 26 | Deutlichkeit, da sie nothwendig zur Gründlichkeit und Bündigkeit des | ||||||
| 27 | Erkenntnisses dient, ist darum hauptsächlich Sache der Philosophie und | ||||||
| 28 | wird insbesondre in metaphysischen Untersuchungen am höchsten getrieben. | ||||||
| 30 | 3) Bejahende oder verneinende Merkmale. Durch jene erkennen | ||||||
| 31 | wir, was das Ding ist, durch diese, was es nicht ist. | ||||||
| 32 | Die verneinenden Merkmale dienen dazu, uns von Irrthümern abzuhalten. | ||||||
| 33 | Daher sind sie unnöthig, da wo es unmöglich ist zu irren, | ||||||
| 34 | und nur nöthig und von Wichtigkeit in denjenigen Fällen, wo sie uns von | ||||||
| 35 | einem wichtigen Irrthume abhalten, in den wir leicht gerathen können. | ||||||
| 36 | So sind z. B. in Ansehung des Begriffs von einem Wesen, wie Gott, die | ||||||
| 37 | verneinenden Merkmale sehr nöthig und wichtig. | ||||||
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