Kant: Briefwechsel, Brief 627, Von Reinhold Bernhard Iachmann.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Reinhold Bernhard Iachmann.      
           
    Marienburg den 4 Junii      
    1794.      
           
  Wolgeborner Herr Professor      
  Theurer, hochgeschätzter Lehrer!      
           
  Sie sind der Mann, dem ich die Ausbildung meines Verstandes,      
  die Veredlung meines Herzens, dem ich mein ganzes Glück verdanke.      
  Es ist meine Absicht nicht, alles das anzuführen, worin Sie Ihre      
  gütige und mehr als väterliche Gesinnung gegen mich an den Tag      
  legten. Wie könnte ich dies auch? Sie thaten zu viel für mich, als      
  daß ich es in Worten ausdrücken könnte. Mir bleibt nichts mehr      
  übrig, als Sie lebenslang in meinem Herzen als meinen Wohlthäter,      
  als den Grund meines Glücks zu verehren. Ietzt theuerster Herr Professor,      
  halte ich es für meine Pflicht, Ihnen von einer Sache Rechenschaft      
  zu geben, die ich unternehmen will, um mein Leben angenehmer,      
  bequemer und in aller Rücksicht glücklicher zu machen. Ich will mir      
  ein Mädchen zur Gattin nehmen, das ich schon seit geraumer Zeit      
  als das vernünftigste, arbeitsamste und zur Wirthschaft geschickteste      
  Frauenzimmer unter meinen Bekannten kennen gelernt und geliebt      
  habe. Dieses Mädchen ist die 2 te Tochter des seel. Iustitz Commissarius      
  Hesse. Glauben Sie mir theuerster Herr Professor: es ist      
  keine blinde Neigung die mich zu ihr hinführt. Ich habe Alles was      
  sich dagegen sagen läßt mit kalter Vernunft reiflich überlegt. Freilich      
  sie hat kein Vermögen. Aber auf ein Mädchen von großem Vermögen      
  konnte ich in meinem Stande nie Anspruch machen, da die Frau eines      
  Predigers so vielen Vergnügungen entsagen und sich so mancher lästigen      
  Gène unterziehen muß; und ein Mädchen von einem kleinen Vermögen,      
  das nicht alle die seltenen Eigenschaften meiner Braut besitzt, konnte      
  ihr unmöglich die Waage halten. Ein Paar 100 rthlr jährliche Interessen      
  sind durch unnützen Putz, durch Nachläßigkeit und Unwißenheit in      
  Wirthschaftssachen leicht verschwendet. Ich mußte bey einem Posten,      
  der im Anfange doch immer nur klein seyn konnte, wie es auch der      
  meinige ist, hauptsächlich auf eine tüchtige Wirthin sehen, weil ich      
  meine Einnahme doch nur durch Pensionnaires zu vermehren hoffen      
  konnte. Dieser Umstand macht auch, daß ich in meiner Heurath etwas      
           
  eilig bin, denn ohne Frau will mir niemand, selbst HErr Motherby      
  nicht seine Kinder geben und diese Erwerbsquelle möchte ich nicht gerne      
  unbenutzt laßen, da wenige Pensionnaires mir mehr als mein ganzer      
  Posten einbringen würden. Ueberdies ist Marienburg der Ort, wo      
  eine Frau die Ausgaben nicht vermehrt, sondern vermindert, weil ein      
  unverheuratheter Mann, nicht wie in andern großen Städten beim      
  Traiteur eßen kann, sondern sich seine eigne Hauswirthschaft einrichten      
  muß, wo er denn bey aller übrigen geschmacklosen Lebensart von einer      
  Haushälterin, die auch schwer zu haben ist, sehr betrogen wird. Nach      
  allen diesen Umständen glaube ich, daß meine Wahl und mein ganzes      
  Unternehmen nicht Ihr Mißfallen haben wird, besonders da das      
  Temperament und die Sinnesart dieses Mädchens der Sinnesart ihres      
  Vaters ganz entgegengesetzt ist. Ich für mein Theil glaube in dieser      
  Verbindung recht glücklich zu leben. Freilich würde das Glück meines      
  Lebens unendlich erhöht werden, wenn ich es in Koenigsberg unter      
  meinen Freunden, in dem so schätzbaren Umgange mit Ihnen theuerster      
  Herr Professor, zubringen könnte; auch würde ich zu einer Pensions      
  Anstalt, in Koenigsberg weit beßere Gelegenheit finden. Eine Stelle,      
  wie die durch den Caplan Mathoes erledigte ist, würde mich auch dieser      
  Mühe überheben und ich könnte bei wenigerer Arbeit meinen Wißenschaften      
  nachhängen, wozu mir in Marienburg alle Zeit gebricht, da      
  ich, außer allen anderweitigen Arbeiten, täglich 6 Stunden zu unterrichten      
  habe. Ich bin zwar jetzt noch jung und thätig, aber sehr lange      
  kann man eine solche Anstrengung der Kräfte nicht aushalten. Sollten      
  Sie es daher, wie ich nicht zweifele, für mein Glück zuträglicher      
  halten, daß ich die Königsbergsche Caplans Stelle bekleidete, so bitte      
  ich Sie inständigst, sich meinetwegen bey HE. Geh. Rath v. Hippel,      
  bey dem Sie Alles vermögen, zu verwenden, welches denn auch für      
  mich die erwünschtesten Folgen haben wird. - Herr Buschdorf der      
  ehegestern durch Marienburg gieng und mich besuchte, läßt sich Herrn      
  Professor sehr empfehlen. Er hatte sich mit seinem Principal entzweit      
  und ihn plötzlich verlaßen. Er schien in einer bedrängten Lage zu      
  seyn und in Marienburg schon auf andere Gedanken zu kommen. Er      
  rang zwischen Noth und Stolz. Die Noth hätte ihn bald zur Rückkehr      
  bewegt, aber der Stolz siegte und er reiste weiter und zwar nach      
  Polen, wo er wahrscheinlich sein Heil versuchen und dann nach Sachsen      
  gehen will. Nun theuerster Herr Professor empfehle ich mich Ihrem      
           
  fernern Wohlwollen, wodurch sie mich so lange glücklich gemacht haben      
  und bin mit der größten Hochachtung      
           
    Ihr      
    ergebenster Diener      
    R. B. Jachmann      
           
           
           
     

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