Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 504 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 627. | |||||||
| 02 | Von Reinhold Bernhard Iachmann. | ||||||
| 03 | Marienburg den 4 Junii | ||||||
| 04 | 1794. | ||||||
| 05 | Wolgeborner Herr Professor | ||||||
| 06 | Theurer, hochgeschätzter Lehrer! | ||||||
| 07 | Sie sind der Mann, dem ich die Ausbildung meines Verstandes, | ||||||
| 08 | die Veredlung meines Herzens, dem ich mein ganzes Glück verdanke. | ||||||
| 09 | Es ist meine Absicht nicht, alles das anzuführen, worin Sie Ihre | ||||||
| 10 | gütige und mehr als väterliche Gesinnung gegen mich an den Tag | ||||||
| 11 | legten. Wie könnte ich dies auch? Sie thaten zu viel für mich, als | ||||||
| 12 | daß ich es in Worten ausdrücken könnte. Mir bleibt nichts mehr | ||||||
| 13 | übrig, als Sie lebenslang in meinem Herzen als meinen Wohlthäter, | ||||||
| 14 | als den Grund meines Glücks zu verehren. Ietzt theuerster Herr Professor, | ||||||
| 15 | halte ich es für meine Pflicht, Ihnen von einer Sache Rechenschaft | ||||||
| 16 | zu geben, die ich unternehmen will, um mein Leben angenehmer, | ||||||
| 17 | bequemer und in aller Rücksicht glücklicher zu machen. Ich will mir | ||||||
| 18 | ein Mädchen zur Gattin nehmen, das ich schon seit geraumer Zeit | ||||||
| 19 | als das vernünftigste, arbeitsamste und zur Wirthschaft geschickteste | ||||||
| 20 | Frauenzimmer unter meinen Bekannten kennen gelernt und geliebt | ||||||
| 21 | habe. Dieses Mädchen ist die 2 te Tochter des seel. Iustitz Commissarius | ||||||
| 22 | Hesse. Glauben Sie mir theuerster Herr Professor: es ist | ||||||
| 23 | keine blinde Neigung die mich zu ihr hinführt. Ich habe Alles was | ||||||
| 24 | sich dagegen sagen läßt mit kalter Vernunft reiflich überlegt. Freilich | ||||||
| 25 | sie hat kein Vermögen. Aber auf ein Mädchen von großem Vermögen | ||||||
| 26 | konnte ich in meinem Stande nie Anspruch machen, da die Frau eines | ||||||
| 27 | Predigers so vielen Vergnügungen entsagen und sich so mancher lästigen | ||||||
| 28 | Gène unterziehen muß; und ein Mädchen von einem kleinen Vermögen, | ||||||
| 29 | das nicht alle die seltenen Eigenschaften meiner Braut besitzt, konnte | ||||||
| 30 | ihr unmöglich die Waage halten. Ein Paar 100 rthlr jährliche Interessen | ||||||
| 31 | sind durch unnützen Putz, durch Nachläßigkeit und Unwißenheit in | ||||||
| 32 | Wirthschaftssachen leicht verschwendet. Ich mußte bey einem Posten, | ||||||
| 33 | der im Anfange doch immer nur klein seyn konnte, wie es auch der | ||||||
| 34 | meinige ist, hauptsächlich auf eine tüchtige Wirthin sehen, weil ich | ||||||
| 35 | meine Einnahme doch nur durch Pensionnaires zu vermehren hoffen | ||||||
| 36 | konnte. Dieser Umstand macht auch, daß ich in meiner Heurath etwas | ||||||
| [ Seite 503 ] [ Seite 505 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||