Kant: Briefwechsel, Brief 628, Von Friedrich Schiller.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Friedrich Schiller.      
           
  Jena. Den 13. Jun. 94.      
           
  Aufgefodert von einer, Sie unbegrenzt hochschätzenden, Gesellschaft      
  lege ich Ew. Wohlgebohren beiliegenden Plan einer neuen Zeitschrift      
  und unsre gemeinschaftliche Bitte vor, dieses Unternehmen durch einen,      
  wenn auch noch so kleinen, Antheil befördern zu helfen. Wir würden      
  nicht so unbescheiden seyn, diese Bitte an Sie zu thun, wenn uns      
  nicht die Beyträge, womit Sie den deutschen Merkur und die Berliner      
  Monathschrift beschenkt haben, zu erkennen gäben, daß Sie diesen      
  Weg, Ihre Ideen zu verbreiten, nicht ganz verschmähn. Das hier      
  angekündigte Iournal wird aller Wahrscheinlichkeit nach von einem      
  ganz andern Publikum gelesen werden, als dasjenige ist, welches sich      
  vom Geist Ihrer Schriften nähret, und gewiß hat der Verfaßer der      
  Critik auch diesem Publikum manches zu sagen, was nur Er mit diesem      
  Erfolge sagen kann. Möchte es Ihnen gefallen, in einer freien Stunde      
  sich unserer zu erinnern, und dieser neuen litterarischen Societät, durch      
  welchen sparsamen Antheil es auch sey, das Siegel Ihrer Billigung      
  aufzudrücken.      
           
  Ich kann diese Gelegenheit nicht vorbey gehen laßen, ohne Ihnen      
  verehrungswürdigster Mann für die Aufmerksamkeit zu danken, deren      
  Sie meine kleine Abhandlung gewürdigt, und für die Nachsicht, mit      
  der Sie mich über meine Zweifel zurecht gewiesen haben. Bloß die      
  Lebhaftigkeit meines Verlangens, die Resultate der von Ihnen gegründeten      
  Sittenlehre einem Theile des Publikums annehmlich zu machen,      
  der biß jetzt noch davor zu fliehen scheint, und der eifrige Wunsch,      
  einen nicht unwürdigen Theil der Menschheit mit der Strenge Ihres      
  Systems auszusöhnen, konnte mir auf einen Augenblick das Ansehen      
  Ihres Gegners geben, wozu ich in der That sehr wenig Geschicklichkeit      
  und noch weniger Neigung habe. Daß Sie die Gesinnung, mit der      
  ich schrieb, nicht mißkannten, habe ich mit unendlicher Freude aus      
           
  Ihrer Anmerkung ersehen, und dieß ist hinreichend mich über die      
  Mißdeutung zu trösten, denen ich mich bey andern dadurch ausgesetzt      
  habe.      
           
  Nehmen Sie, vortrefflicher Lehrer, schließlich noch die Versicherung      
  meines lebhaftesten Danks für das wohlthätige Licht an, das Sie in      
  meinem Geist angezündet haben; eines Danks, der wie das Geschenk,      
  auf das er sich gründet, ohne Grenzen und unvergänglich ist.      
           
    Ihr      
    aufrichtiger Verehrer      
    Fr. Schiller.      
           
           
           
     

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