Kant: Briefwechsel, Brief 575, An Matern Reuß. (Entwurf in zwei Bruchstücken.) |
|||||||
| An Matern Reuß. | |||||||
| (Entwurf in zwei Bruchstücken.) | |||||||
| [Mai 1793.] | |||||||
| 1. | |||||||
| Nehmen Sie Ehrwürdiger Mann nochmals meinen Dank für den | |||||||
| Besuch und eine Bekanntschaft an die jederzeit unter die angenehmste | |||||||
| Erinnerungen meines Lebens gehören wird. Ich füge diesem Bekentnisse | |||||||
| eine kleine Abhandlung philosophisch= nicht eigentlich biblischtheologischen | |||||||
| Inhalts bey, mit welcher keiner Kirche einen Anstos zu | |||||||
| geben bedacht gewesen indem darinn nicht die Rede ist welches Glaubens | |||||||
| der Mensch, überhaupt, sondern nur der welcher sich blos auf die Vernunft | |||||||
| fußt allein seyn könne die mithin gänzlich auf Gründen a priori | |||||||
| beruht die ihre Gültigkeit unter allen Glaubensarten behauptet was | |||||||
| das Objective der Gesinnung betrift was aber die Ausführung dieser | |||||||
| Absicht betrift als Gegenstand der Erfahrung dadurch die allgemeine | |||||||
| Weltregierung sie jene Ideen in der Ausführung hat darstellen wollen | |||||||
| das Herz nicht vor dem empirischen Glauben in Ansehung irgend einer | |||||||
| Offenbahrung verschließt sondern wen sie in Einstimmung mit jenem | |||||||
| stehend befunden wird es für dieselbe offen erhält . . . . . | |||||||
| 2. | |||||||
| Reuss | |||||||
| Ich sage hier nicht daß die Vernunft in Sachen der Religion sich | |||||||
| selbst gnug zu seyn zu behaupten wage sondern nur wenn sie sich nicht | |||||||
| so wohl in Einsicht als im Vermögen der Ausübung gnug ist sie | |||||||
| alles übrige was über ihr Vermögen noch hinzu kommen muß ohne | |||||||
| daß sie wissen darf worinn es bestehe von dem übernatürlichen Beystande | |||||||
| des Himmels erwarten muß . . . . . | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 431 ] [ Brief 574 ] [ Brief 576 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
|||||||
Kant: Briefwechsel, Brief 575, An Maternus Reuß. |
|||||||
| An Maternus Reuß. | |||||||
| 7. Mai 1793 | |||||||
| Hierbey erfolgt eine Abhandlung philosophisch= nicht eigentlich | |||||||
| biblisch=theologischen Inhalts, ich der ich darauf auch Bedacht genommen, | |||||||
| wider die Lehren und Gebräuche keiner Kirche zu verstoßen; indem die | |||||||
| Rede nicht davon ist, welches Glaubens der Mensch überhaupt, sondern | |||||||
| nur der, welcher sich der Religion halber bloß auf Vernunft fußt, die also | |||||||
| gänzlich auf Principien a priori beruhet, seyn könne und solle. Was | |||||||
| die Mittel der Ausführung dieser Idee und die Bewirkung einer solchen | |||||||
| Gesinnung im menschlichen Geschlechte betrifft, nicht was wir zu thun | |||||||
| haben, sondern was Gott gethan hat, um seine moralische Weltregierung | |||||||
| in der Erscheinung darzustellen, woran der Glaube nur historisch und auf | |||||||
| empirischen Beweisgründen beruhend seyn kann, das bleibt den Menschen, | |||||||
| die sich zu einer Kirche vereinigen wollen, nachzuforschen überlassen, | |||||||
| wovor und der Offenbarung der rein philosophierende Theolog eben | |||||||
| darum nicht verschlossen ist, wenn das, was die Offenbarung vorschreibt, | |||||||
| demjenigen nur nicht Abbruch thut, was die Vernunft, als zur reinen | |||||||
| moralischen Gesinnung gehörig mit Macht fordert. — Die Ausführung | |||||||
| kann Mittel bedürfen, die zur Idee der menschlichen Gesinnung objektiv | |||||||
| nicht nothwendig gehören, und deren subjektive Nothwendigkeit wir | |||||||
| ebensowenig durch die Vernunft erkennen, sie aber doch unter Voraussetzung | |||||||
| jener Übereinstimmung der Offenbarung mit der Vernunft zu | |||||||
| gebrauchen bewogen werden können. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XXIII, Seite 496 ] [ Brief 499a ] [ Brief 613a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
|||||||