Kant: Briefwechsel, Brief 573, An Georg Christoph Lichtenberg. (Entwurf.)

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Georg Christoph Lichtenberg.      
  (Entwurf.)      
           
  [Mai 1793.]      
           
  Es sind nun beynahe anderthalb Iahre daß ich den Gedanken      
  bey mir herumtrage Ihren Seelenstärkenden liebevollen Brief verehrungswürdiger      
  Herr zusammt dem ihn begleitenden Geschenke der      
  Erxleb: Physik und dem Taschencalender von 92 durch irgend etwas      
  dem Ähnliches zu erwiedern. Aber der sich mir aufdringende öftere      
  Wechsel der Arbeiten samt der schon drückend werdenden Last der      
  Lebensjahre, in deren 70stes ich vor Kurzem eingetreten (wovon      
  beygehende kleine Abhandlung auch reichlich die Spuhren an sich zeigen      
  wird) haben mir immer den Aufschub abgenöthigt. - Ihre als eines      
  so geistvollen Mannes Nervenbeschwerden sind gewöhnlich von nicht so      
  schlimmer Bedeutung als die mit dem Alter bey einem früher bey      
  dem andern später eintretende Abstumpfung und Unbelebtheit derselben      
  und lassen von Ihnen noch eine lange der gelehrten sowohl als geschmackvollen      
  Welt erwünschte Lebensdauer hoffen.      
           
  Was kann aufmunternder seyn als der Beyfall eines einzigen      
  Mannes [der] nur die Natur [als] ächten Maasstab des Werths der      
  Dinge selbst gelegt hat wogegen die einander durchkreutzende oft im      
  Lob so wohl als Tadel gleich unvernünftige öffentliche Urtheile leicht      
  übersehen werden können. - Hr D. Jachmann der von Bewunderung      
  und Dankbarkeit für Ihre gütige Aufnahme voll ist laßt für diese      
  und das ihm von Ihnen zu Theil gewordene Geschenk hiedurch beydes      
  durch mich versichern.      
           
           
           
           
     

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