Kant: Briefwechsel, Brief 298, Von Iohann Bering.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Bering.      
           
  28. Mai 1787.      
           
  Wohlgebohrner und Hochgelahrter      
  Höchstgeehrter Herr Profeßor!      
  Erlauben Sie daß ich mich dieser Gelegenheit bediene um Ihnen      
  ein geringes Merkmal von meiner unveränderlichen Hochachtung und      
  Ergebenheit darzulegen. Ich habe zwar auch dem Ueberbringer dieses      
  Briefs den Auftrag gethan, Sie von meiner unbegränzten Achtung      
  zu versichern und Ihre Gewogenheit mir zu erbitten; weil ich aber      
  nicht weiß, ob nicht Zufälle dieses verhindern können, so habe ich es      
  für sicherer gehalten, diese meine Gesinnungen und Wünsche Ihnen      
  auch noch schriftlich darzubringen.      
           
  Das Verbott, über Ihre Schriften Vorlesungen zu halten, ist noch      
           
  nicht aufgehoben. Inzwischen bin ich doch über das Verbott hinausgegangen,      
  und lese jetzt Ihre Critik mit 3 Hofnungsvollen Iünglingen      
  unter dem Titel eines Conversatorii. Vielleicht gelingt es mir endlich      
  noch die Vorurtheile zu bestreiten und zu besiegen. Werden Sie nicht      
  auf Herrn Feders Schrift antworten? Wie ich sie laß, fiel mir ein,      
  si tacuisses etc. Aber er konnte nicht wohl schweigen, nachdem er sich      
  in seinen Collegien so vielfältig gegen die Kantische Philosophie erklärt      
  hatte. Da ich nicht vermuthe daß Sie selbst die Mühe des Widerlegens      
  auf sich nehmen werden, so wünschte ich daß irgend Iemand,      
  der der Sache gewachsen HE Feder zurecht wieße. Fühlte ich mich      
  nicht zu schwach, so hätte ich selbst Lust bey diesem Gefechte eine      
  Lanze mit zu brechen. Vor der Hand freue ich mich auf die Recension      
  dieser Schrift in der Allgem. Litt. Zeitung. Möchte Sie doch einen      
  eben so gründlichen Recensenten erhalten als des Prof. Meiners Geschichte      
  der Philosophie. Sollte ich wohl weit von der Wahrheit mich      
  entfernt haben, wie ich mir die Buchstaben J. K. am Schluße der      
  Recension hinzu dachte?      
           
  Woher komts doch wohl daß die ältern Schriften von Ew. Wohlgeb.      
  gar nicht in Leipzig zu haben sind? Aller Mühe ungeachtet bin      
  ich nicht so glücklich gewesen dieselben zu erhalten. Von den in      
  Meusels G. D. angeführten Schriften fehlen mir noch Entwurf einer      
  physischen Geographie. Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe. Principiorum      
  Metaph. etc. Monadologia physica . Ueber die Erdbeben.      
  De primis princip. cogn. hum . Ueber die Winde. Ueber den Optimism.      
  Ueber die Evidenz. Da mir ein jeder Buchstabe von Ihnen schätzbar      
  ist, so ist es mir äußerst unangenehm so manches entbehren zu müßen.      
  Da ich nun glaube daß es mehreren so wie mir gehet, so wäre doch      
  sehr zu wünschen daß diesem Mangel abgeholfen würde. - So sehr      
  ich mich auch bey dem Durchlesen des Leipziger Meßcatalogen freuete,      
  daß Ew. Wohlgeb. uns wieder außer der neuen Ausgabe der Crit.      
  mit der Grundlegung zur Critik des Geschmacks beschenkt hatten; so      
  ward ich doch traurig, da ich das nicht fand, was ich nun schon so      
  lange gewünscht, nemlich das System der reinen spekulativen und der      
  pracktischen Philosophie. Möchte es Ihnen doch gefallen uns bald      
  damit zu beschenken. Wer sollte es auch außer Ihnen wagen ein      
  solches zu liefern? Das Beyspiel des Abels ist abschreckend. Mit      
  den herzlichsten Wünschen für Ew. Wohlgeb. Wohlseyn empfehle ich      
           
  mich Deroselben Gewogenheit und bin mit unnenbarer Achtung und      
  Verehrung      
           
    Ew. Wohlgeb.      
    ganz gehorsamster      
  Marburg den 28sten May Diener      
  1787. Bering      
           
           
           
     

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