Kant: Briefwechsel, Brief 225, Von Ludwig von Baczko.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Ludwig von Baczko.      
           
  15. März 1784.      
           
  Wohlgeborner,      
  Höchstzuverehrender Herr Professor.      
           
  Es war mein Vorsaz heute an den alten Herrn Schorn in Betref      
  seines Sohnes zu schreiben; allein da ich so eben nachstehende Umstände      
           
  erfare, so weis ich gar nicht, was ich dabei sagen oder wie ich mich      
  verhalten sol.      
           
  Herr Schorn hat von seiner Frau Mutter vor einiger Zeit einen      
  Taler geschikt bekommen, und mich schon lange ersucht, ihn dafür auf      
  den gestrigen Stephanischen Bal gehen zu laßen. Dieses glaubte ich      
  um so viel eher zugeben zu können, da Herr Kruse, dem ich als einen      
  redlichen Mann kenne, ebenfals dahin ging. Auf diesem Bal aber      
  hat Herr Schorn vom Studenten Rudel, dessen Umgang ich mir doch      
  so oft verbeten, einen Dukaten geliehen, sich dafür einen Rausch angetrunken      
  und den Ueberrest verspielt, nachher sich in eine Kutsche gesezt      
  und ein Paar Stunden herumführen lassen, wofür jezt der Fuhrmann      
  vier Gulden fordert. Ausserdem hat er seine Uhr vor vier Taler      
  versezt, wovon er aber drei Taler einem anderen gegeben zu haben      
  versichert.      
           
  Ew Wohlgebornen werden es selbst einsehen, wie sehr mich diese      
  Probe eines ausserordentlichen Leichtsins nach dem gestrigen Auftrit      
  überrascht, und ich wünsche, bevor ich nach Braunsberg schreibe, Eur      
  Wolgebornen Gutachten in Betref seiner zu erfaren. Ich bin schon auf      
  den Gedanken gekommen, ob es nicht gut seyn würde einen tüchtigen      
  rechtschaffenen Man anzunehmen, der Herrn Schorn und auch die Herren      
  Siegfried in alle Kollegia begleitete, ja selbst bei ihren Vergnügungen      
  so viel als möglich zugegen wäre. Vielleicht könte ich unter vorteilhaften      
  Bedingungen Herrn Berdau einen geschikten und rechtschaffenen      
  Man, hiezu bewegen. Funfzig Taler giebt mir Amtsrat Siegfried      
  für die Repetizionen der Vorlesungen, welche ich sogleich dazu hergeben      
  kann. Herr Schorn giebt monatlich zwei Taler für den Unterricht im      
  Französischen, Berdau ist dieser Sprache volkommen gewachsen, und      
  wenn nun zu diesen vier und siebenzig Talern die Eltern sowol des      
  Herrn Schorn und des Herrn Siegfried das erforderliche zulegten, so      
  würde vielleicht hiedurch manchen abgeholfen werden. Denn ich gestehe      
  es ein, daß meine Aufmerksamkeit nicht mehr hinreicht jeden ihrer      
  Schritte zu beobachten. Indes scheint es mir auch wieder mislich, die      
  jungen Leute auf diese Weise immer nach dem Willen eines andern      
  handeln zu lassen, weil ich befürchte, daß sie sich sodan blos maschienenmässig      
  immer erst auf den Wink eines andern bequemen werden, etwas      
  Gutes zu thun.      
           
           
  Ich erbitte mir deshalb nochmals Ew Wolgebornen gütige Entscheidung,      
  und bin mit der vollkommensten Hochachtung      
           
    Eur Wolgebornen      
  Königsberg ganz gehorsamester Diner      
  den 15 ten März 1784. L. v. Baczko      
           
           
           
     

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