Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 223

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 indem sie schon allgemeine transscendentale Verstandesbegriffe voraussetzt,      
  02 die eben so wohl nicht angeboren*), sondern erworben sind, deren acquisitio      
  03 aber wie jene des Raumes, eben so wohl originaria ist und nichts      
  04 Angebornes, als die subjectiven Bedingungen der Spontaneität des      
  05 Denkens (Gemäßheit mit der Einheit der Apperception) voraussetzt. Über      
  06 diese Bedeutung des Grundes der Möglichkeit einer reinen sinnlichen Anschauung      
  07 kann niemand zweifelhaft sein als der, welcher die Kritik etwa      
  08 mit Hülfe eines Wörterbuchs durchstreift, aber nicht durchdacht hat.      
           
  09 Wie gar wenig Herr Eberhard die Kritik in ihren klärsten Sätzen verstehe,      
  10 oder auch wie er sie vorsetzlich mißverstehe, davon kann folgendes      
  11 zum Beispiele dienen.      
           
  12 In der Kritik wurde gesagt: daß die bloße Kategorie der Substanz      
  13 (so wie jede andere) schlechterdings nichts weiter, als die logische Function,      
  14 in Ansehung deren ein Object als bestimmt gedacht wird, enthalte, und      
  15 also dadurch allein gar kein Erkenntniß des Gegenstandes, auch nur      
  16 durch das mindeste (synthetische) Prädicat, wofern wir ihm nicht eine      
  17 sinnliche Anschauung unterlegen, erzeugt werde; woraus denn mit      
  18 Recht gefolgert wurde, daß, da wir ohne Kategorien gar nicht von Dingen      
  19 urtheilen können, vom Übersinnlichen schlechterdings kein Erkenntniß (es      
  20 versteht sich hiebei immer in theoretischer Beziehung) möglich sei. Herr      
  21 Eberhard giebt S. 384 - 385 vor, dieses Erkenntniß der reinen Kategorie      
  22 der Substanz auch ohne Beihülfe der sinnlichen Anschauung verschaffen      
  23 zu können: "Es ist die Kraft, welche die Accidenzen wirkt." Nun ist ja      
  24 aber die Kraft selber wiederum nichts anders als eine Kategorie (oder das      
  25 Prädicabile derselben), nämlich die der Ursache, von der ich gleichfalls behauptet      
  26 habe, daß von ihr die objective Gültigkeit ohne ihr untergelegte      
  27 sinnliche Anschauung eben so wenig könne bewiesen werden, als von der      
  28 des Begriffs einer Substanz. Nun gründet er S. 385 diesen Beweis      
  29 auch wirklich auf Darstellung der Accidenzen, mithin auch der Kraft,      
  30 als ihrem Grunde, in der sinnlichen (inneren) Anschauung. Denn er bezieht      
  31 den Begriff der Ursache wirklich auf eine Folge von Zuständen des      
  32 Gemüths in der Zeit, von auf einander folgenden Vorstellungen oder      
  33 Graden derselben, deren Grund "in dem nach allen seinen gegenwärtigen,      
           
    *) In welchem Sinne Leibniz das Wort angeboren nehme, wenn er es von gewissen Elementen der Erkenntniß braucht, wird hiernach beurtheilt werden können. Eine Abhandlung von Hißmann im Teutschen Mercur, October 1777, kann diese Beurtheilung erleichtern.      
           
     

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