Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 222

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 entstehen und noch dazu auf Objecte, die noch nicht gegeben sind, bezogen      
  02 werden können, und dieser Grund wenigstens ist angeboren. (Da Herr      
  03 Eberhard selbst anmerkt, daß, um zu dem Ausdrucke anerschaffen berechtigt      
  04 zu sein, man das Dasein Gottes schon als bewiesen voraussetzen müsse,      
  05 warum bedient er sich desselben dann in einer Kritik, welche mit der ersten      
  06 Grundlage aller Erkenntniß zu thun hat, und nicht des alten Ausdrucks      
  07 der Angebornen?) Herr Eberhard sagt S. 390: "Die Gründe der allgemeinen,      
  08 noch unbestimmten Bilder von Raum und Zeit, und mit ihnen      
  09 ist die Seele erschaffen", ist aber auf der folgenden Seite wieder zweifelhaft,      
  10 ob ich unter der Form der Anschauung (sollte heißen: dem Grunde      
  11 aller Formen der Anschauung) die Schranken der Erkenntnißkraft, oder      
  12 jene Bilder selbst verstehe. Wie er das erstere auch nur auf zweifelhafte Art      
  13 hat vermuthen können, läßt sich gar nicht begreifen, da er sich doch bewußt      
  14 sein muß, daß er jene Erklärungsart der Sinnlichkeit im Gegensatze mit      
  15 der Kritik durchsetzen wollte: das zweite aber, nämlich daß er zweifelhaft      
  16 ist, ob ich nicht die unbestimmten Bilder von Zeit und Raum selbst      
  17 verstehe, läßt sich wohl erklären, aber nicht billigen. Denn wo habe ich      
  18 jemals die Anschauungen von Raum und Zeit, in welchen allererst Bilder      
  19 möglich sind, selbst Bilder genannt (die jederzeit einen Begriff voraussetzen,      
  20 davon sie die Darstellung sind, z. B. das unbestimmte Bild für den      
  21 Begriff eines Triangels, dazu weder das Verhältniß der Seiten noch die      
  22 Winkel gegeben sind)? Er hat sich in das trügliche Spielwerk, statt sinnlich      
  23 den Ausdruck bildlich zu brauchen, so hinein gedacht, daß er ihn      
  24 allenthalben begleitet. Der Grund der Möglichkeit der sinnlichen Anschauung      
  25 ist keines von beiden, weder Schranke des Erkenntnißvermögens,      
  26 noch Bild; es ist die bloße eigenthümliche Receptivität des Gemüths,      
  27 wenn es von etwas (in der Empfindung) afficirt wird, seiner subjectiven      
  28 Beschaffenheit gemäß eine Vorstellung zu bekommen. Dieser erste formale      
  29 Grund z. B. der Möglichkeit einer Raumesanschauung ist allein angeboren,      
  30 nicht die Raumvorstellung selbst. Denn es bedarf immer Eindrücke,      
  31 um das Erkenntnißvermögen zuerst zu der Vorstellung eines Objects      
  32 (die jederzeit eine eigene Handlung ist) zu bestimmen. So entspringt die      
  33 formale Anschauung, die man Raum nennt, als ursprünglich erworbene      
  34 Vorstellung (der Form äußerer Gegenstände überhaupt), deren Grund      
  35 gleichwohl (als bloße Receptivität) angeboren ist, und deren Erwerbung      
  36 lange vor dem bestimmten Begriffe von Dingen, die dieser Form gemäß      
  37 sind, vorhergeht; die Erwerbung der letzteren ist acquisitio derivativa,      
           
     

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