Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 478 |
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| 01 | innigst fühlt, hervor; der physisch=teleologische aber hat nur das | ||||||
| 02 | Verdienst, das Gemüth in der Weltbetrachtung auf den Weg der Zwecke, | ||||||
| 03 | dadurch aber auf einen verständigen Welturheber zu leiten: da denn | ||||||
| 04 | die moralische Beziehung auf Zwecke und die Idee eines eben solchen Gesetzgebers | ||||||
| 05 | und Welturhebers, als theologischer Begriff, ob er zwar reine | ||||||
| 06 | Zugabe ist, sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu entwickeln | ||||||
| 07 | scheint. | ||||||
| 08 | Hiebei kann man es in dem gewöhnlichen Vortrage fernerhin auch | ||||||
| 09 | bewenden lassen. Denn dem gemeinen und gesunden Verstande wird es | ||||||
| 10 | gemeiniglich schwer, die verschiedenen Principien, die er vermischt, und | ||||||
| 11 | aus deren einem er wirklich allein und richtig folgert, wenn die Absonderung | ||||||
| 12 | viel Nachdenken bedarf, als ungleichartig von einander zu scheiden. | ||||||
| 13 | Der moralische Beweisgrund vom Dasein Gottes ergänzt aber eigentlich | ||||||
| 14 | auch nicht etwa bloß den physisch=teleologischen zu einem vollständigen | ||||||
| 15 | Beweise; sondern er ist ein besonderer Beweis, der den Mangel der Überzeugung | ||||||
| 16 | aus dem letzteren ersetzt: indem dieser in der That nichts leisten | ||||||
| 17 | kann, als die Vernunft in der Beurtheilung des Grundes der Natur und | ||||||
| 18 | der zufälligen, aber bewunderungswürdigen Ordnung derselben, welche uns | ||||||
| 19 | nur durch Erfahrung bekannt wird, auf die Causalität einer Ursache, die | ||||||
| 20 | nach Zwecken den Grund derselben enthält, (die wir nach der Beschaffenheit | ||||||
| 21 | unserer Erkenntnißvermögen als verständige Ursache denken müssen) | ||||||
| 22 | zu lenken und aufmerksam, so aber des moralischen Beweises empfänglicher | ||||||
| 23 | zu machen. Denn das, was zu dem letztern Begriffe erforderlich ist, | ||||||
| 24 | ist von allem, was Naturbegriffe enthalten und lehren können, so wesentlich | ||||||
| 25 | unterschieden, daß es eines besondern, von den vorigen ganz unabhängigen | ||||||
| 26 | Beweisgrundes und Beweises bedarf, um den Begriff vom Urwesen | ||||||
| 27 | für eine Theologie hinreichend anzugeben und auf seine Existenz zu | ||||||
| 28 | schließen. - Der moralische Beweis (der aber freilich nur das Dasein | ||||||
| 29 | Gottes in praktischer, doch auch unnachlaßlicher Rücksicht der Vernunft | ||||||
| 30 | beweiset) würde daher noch immer in seiner Kraft bleiben, wenn wir in | ||||||
| 31 | der Welt gar keinen, oder nur zweideutigen Stoff zur physischen Teleologie | ||||||
| 32 | anträfen. Es läßt sich denken, daß sich vernünftige Wesen von einer solchen | ||||||
| 33 | Natur, welche keine deutliche Spur von Organisation, sondern nur | ||||||
| 34 | Wirkungen von einem bloßen Mechanism der rohen Materie zeigte, umgeben | ||||||
| 35 | sähen, um derentwillen und bei der Veränderlichkeit einiger bloß | ||||||
| 36 | zufällig zweckmäßigen Formen und Verhältnisse kein Grund zu sein schiene, | ||||||
| 37 | auf einen verständigen Urheber zu schließen; wo alsdann auch zu einer | ||||||
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