Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 459 |
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| 01 | diese Idee von der Vernunft zum Grunde gelegt. Allein darf ich nun | ||||||
| 02 | zweckähnliche Anordnungen als Absichten ansehen, indem ich sie vom göttlichen | ||||||
| 03 | Willen, obzwar vermittelst besonderer dazu in der Welt darauf gestellten | ||||||
| 04 | Anlagen, ableite? Ja, das könnt ihr auch thun, aber so, daß es | ||||||
| 05 | euch gleich viel gelten muß, ob jemand sage, die göttliche Weisheit hat alles | ||||||
| 06 | so zu ihren obersten Zwecken geordnet, oder die Idee der höchsten Weisheit | ||||||
| 07 | ist ein Regulativ in der Nachforschung der Natur und ein Princip der systematischen | ||||||
| 08 | und zweckmäßigen Einheit derselben nach allgemeinen Naturgesetzen, | ||||||
| 09 | auch selbst da, wo wir jene nicht gewahr werden; d. i. es mu | ||||||
| 10 | euch da, wo ihr sie wahrnehmt, völlig einerlei sein, zu sagen: Gott hat es | ||||||
| 11 | weislich so gewollt, oder die Natur hat es also weislich geordnet. Denn | ||||||
| 12 | die größte systematische und zweckmäßige Einheit, welche eure Vernunft | ||||||
| 13 | aller Naturforschung als regulatives Princip zum Grunde zu legen verlangte, | ||||||
| 14 | war eben das, was euch berechtigte, die Idee einer höchsten Intelligenz | ||||||
| 15 | als ein Schema des regulativen Princips zum Grunde zu legen; | ||||||
| 16 | und so viel ihr nun nach demselben Zweckmäßigkeit in der Welt antrefft, | ||||||
| 17 | so viel habt ihr Bestätigung der Rechtmäßigkeit eurer Idee; da aber gedachtes | ||||||
| 18 | Princip nichts andres zur Absicht hatte, als nothwendige und | ||||||
| 19 | größtmögliche Natureinheit zu suchen, so werden wir diese zwar, so weit | ||||||
| 20 | als wir sie erreichen, der Idee eines höchsten Wesens zu danken haben, | ||||||
| 21 | können aber die allgemeinen Gesetze der Natur, als in Absicht auf welche | ||||||
| 22 | die Idee nur zum Grunde gelegt wurde, ohne mit uns selbst in Widerspruch | ||||||
| 23 | zu gerathen, nicht vorbei gehen, um die Zweckmäßigkeit der Natur als | ||||||
| 24 | zufällig und hyperphysisch ihrem Ursprunge nach anzusehen, weil wir nicht | ||||||
| 25 | berechtigt waren, ein Wesen über die Natur von den gedachten Eigenschaften | ||||||
| 26 | anzunehmen, sondern nur die Idee desselben zum Grunde zu | ||||||
| 27 | legen, um nach der Analogie einer Causalbestimmung die Erscheinungen | ||||||
| 28 | als systematisch unter einander verknüpft anzusehen. | ||||||
| 29 | Eben daher sind wir auch berechtigt, die Weltursache in der Idee | ||||||
| 30 | nicht allein nach einem subtileren Anthropomorphism (ohne welchen sich | ||||||
| 31 | gar nichts von ihm denken lassen würde), nämlich als ein Wesen, das | ||||||
| 32 | Verstand, Wohlgefallen und Mißfallen, imgleichen eine demselben gemäße | ||||||
| 33 | Begierde und Willen hat etc., zu denken, sondern demselben unendliche Vollkommenheit | ||||||
| 34 | beizulegen, die also diejenige weit übersteigt, dazu wir durch | ||||||
| 35 | empirische Kenntniß der Weltordnung berechtigt sein können. Denn das | ||||||
| 36 | regulative Gesetz der systematischen Einheit will, daß wir die Natur so | ||||||
| 37 | studiren sollen, als ob allenthalben ins Unendliche systematische und zweckmäßige | ||||||
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