Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 129

     
           
 

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Text (Kant):

 

Randtext (Kant)

 

 

 
  01 einerlei Kraft ausgeübt habe, er mag diese Federn in einfacher, oder      
  02 vierfacher Zeit zugedrückt haben, denn nachdem er sie einmal zugedrückt      
  03 hat, so bringt er die übrige Zeit bei ihr müßig zu. Wenn im Gegentheil      
  04 die Kraft des Körpers die Thätigkeit der Feder, deren Druck er      
  05 überwindet, nicht zugleich aufhebt: so gehen aus der Feder in den      
  06 entgegenwirkenden Körper alle Augenblicke neue Grade Kraft über;      
  07 denn die Wirksamkeit dieser Feder, die in dem ersten Augenblicke die      
  08 Ursache eines in dem Körper erloschenen Grades Kraft war, ist es      
  09 auch noch und zwar eben so stark in dem zweiten Augenblicke, ferner      
  10 in dem dritten und so weiter in allen folgenden ins Unendliche.      
  11 Unter diesen Bedingungen ist es nicht einerlei, ob der Körper, der      
  12 den Druck dieser Feder überwältigt, es in kürzerer, oder längerer Zeit      
  13 thue, denn in der längern hat er mehr Drückungen ausgehalten, als      
  14 in der kürzeren. Nun ist aber der Druck der Schwere von dieser Art.      
  15 Eine jede Feder derselben wirkt alle Augenblicke mit gleicher Thätigkeit,      
  16 und der Körper, der ihren Druck in dem ersten Augenblicke überwindet,      
  17 hat es deswegen noch nicht auf alle folgende Augenblicke gethan.      
  18 Er wird zu dem zweiten eben so viel Kraft brauchen u. s. f.      
  19 Die Kraft also, die ein Körper aufwendet, der Drückung eines einzigen      
  20 Theiles der schwermachenden Materie Widerstand zu leisten, ist nicht      
  21 bloß wie die Intensität der Schwerdrückung, sondern wie das Rectangulum      
  22 aus dieser in die Zeit.      
           
  23 Man kann zum überflüssigen Beweis des Satzes, Noch ein Beweis    
  24 daß nicht die Anzahl der Federn, sondern die Zeit das gegen die    
  25 Maß der verübten Wirkung sei, noch dieses hinzusetzen. lebendige    
  26 Ein schräg geworfener Körper, dessen Bewegung parabolisch Kräfte.    
  27 ist, müßte sowohl eine gewisse Höhe weit schneller durch den      
  28 Fall zurücklegen, als auch eine viel größere Geschwindigkeit und Kraft      
  29 am Ende desselben überkommen, als ihm der senkrechte Fall von      
  30 gleicher Höhe ertheilen könnte. Denn indem er die krumme Linie beschreibt,      
  31 so durchläuft er bis zum Ende des Falles einen größern      
  32 Raum, als wenn er vertical gefallen wäre. In jenem größeren Raum      
  33 aber muß er nothwendig mehr Federn der Schwere erdulden, als er      
  34 in der kurzen geraden Linie antreffen konnte, denn die schwerdrückende      
  35 Materie ist nach allen Seiten gleich verbreitet: also müßte er Leibnizens      
  36 Satze zufolge in jenem mehr Kraft und Geschwindigkeit erlangen,      
  37 als in diesem, welches ungereimt ist.      
           
           
     

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