Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 128

     
           
 

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  01 Voraussetzung der endlichen Geschwindigkeit wahr sei Leibnizens    
  02 (obgleich dieses offenbar gegen ihre Lehre sein würde), Schätzung gilt    
  03 so merke man: daß man die endliche Geschwindigkeit eben auch nicht    
  04 so wohl als die endliche Zeit durch die Linie AB*) vorstellen unter der Bedingung    
  05 könne, und alsdann wird es sich gleichfalls ausweisen, der    
  06 daß, wenn ihr Gesetz überhaupt bei endlicher Geschwindigkeit endlichen Geschwindigkeit.    
  07 gilt, es auch bei unendlich kleiner gelten      
  08 müsse, welches sie doch selber nicht umhin können zu leugnen.      
           
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II
     
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Zusätze zu den §§ 31 bis 36.
     
           
  11 Unsere Gegner rechnen es unter die klärsten Begriffe, die man      
  12 nur haben kann: daß ein Körper gerade die Kraft aller der Federn      
  13 habe, die er zudrückt, bis ihm seine ganze Bewegung genommen      
  14 worden, die Zeit, in der diese Federn gedrückt werden, sei, wie sie      
  15 wolle. Herr Johann Bernoulli sagt von denen, die mit der Anzahl      
  16 der überwältigten Federn allein nicht zufrieden sind, sondern noch      
  17 immer nach der Zeit der Zudrückung fragen, daß sie eben so ungereimt      
  18 wären, als einer, der die Menge Wasser in einem Becher messen will      
  19 und sich an dem wirklichen Maße, was er vor sich hat, nämlich der      
  20 Capacität des Bechers, nicht begnügt, sondern meint, er müsse noch      
  21 die Zeit dazu wissen, in der dieser Becher angefüllt worden. er setzt      
  22 vor Zuversicht und Unwillen hinzu:**) Desine igitur quärere nodum      
  23 in scirpo . Die Frau Marquisin von Chastelet hat einen eben so      
  24 scherzhaften Einfall in Bereitschaft; allein sie irren beide und zwar, wo      
  25 mir es erlaubt ist zu sagen, mit eben so großem Nachtheile ihres Ruhmes,      
  26 als die Zuversicht war, die sie in diesem Irrthume haben blicken lassen.      
  27 Wenn eine jede von den Federn A, B, C, D, E von Woher die Zeit    
  28 solcher Art ist, daß sie nur einem einzigen Drucke des nothwendig bei    
  29 Körpers M widersteht und zugleich dadurch ihre ganze der Hinderniß    
  30 Thätigkeit verliert, folglich hernach in dem Körper M gar der Schwere in    
  31 keine Wirkung mehr thut, er mag ihr so lange ausgesetzt Anschlag    
  32 sein, als er wolle: so gestehe ich selber, daß der Körper kommt.    
           
    *) Tab. I. Fig. II.      
           
    **) Acta Erud. 1735. P. 210.      
           
     

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