Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 130

     
           
 

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Text (Kant):

 

Randtext (Kant)

 

 

 
  01
Gedanken über den Streit
     
  02
zwischen
     
  03
der Frau Marquisin von Chastelet
     
  04
und dem Herrn von Mairan
     
  05
von den lebendigen Kräften.
     
           
  06 Der Herr von Mairan ist auf den Anschlag gekommen, die      
  07 Kraft eines Körpers nach den nicht überwundenen Hindernissen,      
  08 nicht zugedrückten Federn, nicht verrückten Materien zu      
  09 schätzen, oder, wie sich die Frau von Chastelet ausdrückt, nach demjenigen,      
  10 was er nicht thut. Diese Gegnerin hat so etwas Wunderliches      
  11 in diesem Gedanken zu finden vermeint, daß sie geglaubt hat,      
  12 sie dürfe, um ihn lächerlich zu machen, ihn nur anführen. Ungeachtet      
  13 dieser berühmte Mann nun seinem Gedanken eine Einschränkung beigefügt      
  14 hat, worauf eigentlich alles ankommt, nämlich: daß diese      
  15 Federn dennoch würden zugedrückt worden sein, wenn man      
  16 durch eine Hypothese annähme, daß er seine Kraft behalten,      
  17 oder immer wieder angenommen hätte, so findet seine Gegnerin      
  18 dennoch so etwas Unerlaubtes und Unbefugtes in dieser Hypothese,      
  19 daß sie ihm deswegen einen noch viel härteren Vorwurf macht. Ich      
  20 werde kürzlich zeigen, wie gewiß und untrüglich der Gedanke dieses      
  21 vortrefflichen Mannes sei, und daß außer des Herrn Jurins seinem,      
  22 den wir schon angeführt haben, nicht leicht etwas Entscheidenderes und      
  23 Gründlicheres in dieser Sache habe ersonnen werden können.      
           
  24 Wenn man dasjenige nimmt, was die Kraft eines Vertheidigung    
  25 Körpers eingebüßt hat, indem gewisse Hindernisse durch derSchätzungsart    
  26 dieselbe überwunden worden, wenn man, sage ich, diese des Herrn    
  27 Einbuße mißt: so weiß man auf das gewisseste, wie groß von Mairan    
  28 die gesammte Gewalt des überwältigten Widerstandes gewesen gegen die Frau    
  29 ist; denn der Körper hätte diesen Widerstand oder von Chastelet.    
  30 Hinderniß nicht überwinden können, ohne einen ihr gleichen Grad      
  31 Kraft dabei aufzuwenden, und wie groß dann diese in dem Körper      
  32 zernichtete und verzehrte Kraft ist, so stark ist auch die Hinderni      
  33 gewesen, die ihm dieselbe genommen hat, und auch die Wirkung, die      
  34 auf dieselbe Weise verübt worden.      
           
           
     

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