Kant: Briefwechsel, Brief 12, Von Iohann Gotthelf Lindner.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Gotthelf Lindner.      
           
  Riga d. 20ten Oct. 1759.      
           
  Hochedelgeborner      
           
  Hochzuehrender Herr Magister!      
  Werther Freund !      
           
  Ich nehme mir die Freiheit, mir von Ew. Hochedelgeb. selbst eine      
  Nachricht auszubitten, ob der Stud. Jonzon die schuldige 20 thl. albt für      
           
  Collegia abgetragen. Da ein guter und wohlgesinnter Freund dessen      
  gegen mich Erwähnung that; so meldete es dem HE. Elt[ermann] Schütz,      
  in dessen Hause seine Mama lebt. Mittlerweile erschien er hier selbst      
  und hatte eine unvermuthete Lustreise gethan. Von HE. Elt. Schütz      
  sowohl als ihm bin ich fest versichert worden, daß das Geld übermacht      
  worden. Die Wahrheit beruht auf Ihrem Zeugnis. Es      
  schmerzt mich, und ich verschweig es nicht gegen Freund noch Feind,      
  wenn ich erfahren muß, daß manche Studierende von hier aus, die      
  ich redlich und aufrichtig an gute Lehrer weise, doch den löbl. Weg      
  ihrer Vorfahren gehen. Die Herren handeln nicht nach ihrer      
  Instruction von Vätern und Lehrern. Ich will es noch nicht von      
  allen gedacht haben, und dem allgemeinen Verderben kan allein der      
  Himmel steuren. Indessen was ich noch thun kan, und mit gültiger      
  Erlaubnis thue, ist dies, daß ich Sie, werther Freund ! um avthentike      
  Nachrichten zuweilen ersuche, ob dieser oder jener ordentlich seine      
  Collegia halte. Dies werden Sie, wo Sie wollen, mit Ja oder Nein      
  am sichersten mir beantworten, imgl. ob Sie bezahlt worden sind.      
  Mehrere Beschwerde will nicht machen, und werde zum wenigsten bey      
  einigen kleine Dienste leisten können. In diesem Verhältnis bin ich      
  berechtigt, mich zu erkundigen, ob der junge Stud. Schultz seine      
  Stunden, die er um Michael., wie er an seine Eltern schreibt, anfangen      
  will, gehörig bey Ihnen beobachtet, und praenumerirt habe? Es ist      
  uns um die Sicherheit darüber zu thun. Sie werden Keinen damit      
  beleidigen, erschrecken oder betrüben. Ich weiß es hernach auf gute      
  Weise weiter zu melden ; und es ist einem rechtschafnen Vater lieber,      
  die Wahrheit zu wissen, als des Sohnes Nachrichten allein zu glauben.      
  Gelegentl. werden Sie die Güte haben, nachdem Sie auch mehr von      
  seiner Führung erfahren oder bemerken, mir zuweilen es zu schreiben.      
           
  Man macht mir Hofnung, Ihre Gedanken über den Optimismum      
  zu lesen, und ich freue mich darauf. Vielleicht unterhält auch dies      
  eine Zeitlang unsern Briefwechsel, und ich werd ihn zu nützen suchen.      
  Meinen ergebnen Gruß an alle Freunde, die meiner im besten denken,      
  an HE. Freytag und HE. Hamann. Ich habe die Ehre, mit besondrer      
  Achtung zu seyn      
           
    - Ew. Hochedelgeb.      
    ergebenster Diener und Freund      
    M. Lindner .      
 
 
 

[ Handschriftliche Notiz 1343 zum Brief: AA 15, Seite 584 ]

   
           
     

[ abgedruckt in : AA X, Seite 016 ] [ Brief 11 ] [ Brief 13 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ]