Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Zum Ewigen ... , Seite 204 |
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Text (Kant):
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Verknüpfungen:
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| 01 | R. sagt (wenigstens denkt er sich den Satz so): „in der unendlichen | ||||||
| 02 | Menge aller möglichen Zahlen zerstreut (sparsim) gedacht giebt es | ||||||
| 03 | mehr rationale Verhältnisse als das der Zahlen 3, 4, 5” | ||||||
| 04 | K. sagt (wenigstens denkt er sich so den Gegensatz) „in der unendlichen | ||||||
| 05 | Reihe aller in der natürlichen Ordnung von 0 an durch continuirliche | ||||||
| 06 | Zuthuung von 1) fortschreitenden Zahlen giebt es unter den | ||||||
| 07 | einander unmittelbar folgenden mithin sie vereint (coniunctim) | ||||||
| 08 | gedacht kein rationales Verhältnis mehr als nur das der Zahlen 3, 4, 5.” | ||||||
| 09 | Beyde Behauptungen haben strenge Beweise für sich und können | ||||||
| 10 | neben einander bestehen. Es ist also nur ein Misverstand den Begriff der | ||||||
| 11 | Zahlenmenge mit dem der Zahlenreihe zu verwechseln der den Streit | ||||||
| 12 | veranlaßt. | ||||||
| 13 | Es kommt also nur darauf an: auszumachen wer an diesem Misverstande | ||||||
| 14 | Schuld sey. Eigentlich fällt sie auf beyde weil beyde die den | ||||||
| 15 | Begrif einschränkende Bedingung wegließen unter der allein jedes seine | ||||||
| 16 | Behauptung statt finden kann; doch trifft die Rüge am meisten den letztern | ||||||
| 17 | weil die Bedingung beyzufügen nicht nöthig scheint wenn vom Verhältnis | ||||||
| 18 | der Zahlen überhaupt die Rede ist, daß sie außer ihrer Verknüpfung | ||||||
| 19 | gedacht werden indem dieses sich schon von selbst versteht so lange ihrem | ||||||
| 20 | Begriff nicht diese besondere Bedingungen hinzugefügt worden. | ||||||
| 21 | Vierte Seite |
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| 22 | Daß aber diese Einschränkung des Satzes vom rationalen Zahlverhaltnis | ||||||
| 23 | auf die genannte in einer Reihe unmittelbar folgende Zahlen | ||||||
| 24 | nicht etwa allererst hinten nach ausgefunden um sich aus einem schlimmen | ||||||
| 25 | Handel zu ziehen sondern bei Nennung dieses Satzes schon mitgedacht war | ||||||
| 26 | erhellet daraus hinreichend daß der Versuch über ihn zu philosophiren | ||||||
| 27 | sonst nicht zur Geheimniskrämerey hätte gezählt werden können. Denn | ||||||
| 28 | daß sich unter der Menge aller möglichen Zahlen auch 3 solche finden die | ||||||
| 29 | im rationalen Verhaltnis der 3 Seiten eines rechtwinkligen Dreyecks | ||||||
| 30 | stehen erregt keine Verwunderung die dahinter ein Geheimnis zu vermuthen | ||||||
| 31 | verleiten könnte, wohl aber wenn in einer unendlichen gleichförmig | ||||||
| 32 | und natürlich wachsenden Reihe Zahlen nur drey unmittelbar | ||||||
| 33 | auf einander folgende und gleichsam verschwisterte Zahlen angetroffen | ||||||
| 34 | werden die diese Eigenschaft bey sich führen. | ||||||
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