| Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 308 | |||||||
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| 01 | ein haltbarer, sondern überschwenglicher, in praktisch-dogmatischer Rücksicht | ||||||
| 02 | aber ein reeller, und durch die praktische Vernunft für unsre Pflicht | ||||||
| 03 | sanctionirter Begriff ist. | ||||||
| 04 | III. | ||||||
| 05 | Vermeynter theoretisch-dogmatischer Fortschritt der Metaphysik | ||||||
| 06 | in der Psychologie, während der Leibnitz-Wolfischen Epoche. | ||||||
| 07 | Die Psychologie ist für menschliche Einsichten nichts mehr, und kann | ||||||
| 08 | auch nichts mehr werden, als Anthropologie, d.i. als Kenntniß des | ||||||
| 09 | Menschen, nur auf die Bedingung eingeschränkt, sofern er sich als Gegenstand | ||||||
| 10 | des inneren Sinnes kennet. Er ist sich selbst aber auch als Gegenstand | ||||||
| 11 | seiner äußern Sinne bewußt, d.h. er hat einen Körper, mit dem | ||||||
| 12 | der Gegenstand des inneren Sinnes verbunden, der die Seele des | ||||||
| 13 | Menschen heißt. | ||||||
| 14 | Daß er nicht ganz und gar blos Körper sey, läst sich, wenn diese | ||||||
| 15 | Erscheinung als Sache an sich selbst betrachtet wird, strenge beweisen, | ||||||
| 16 | weil die Einheit des Bewußtseyns, die in jedem Erkenntniß (mithin auch | ||||||
| 17 | in dem seiner selbst) nothwendig angetroffen werden muß, es unmöglich | ||||||
| 18 | macht, daß Vorstellungen, unter viele Subjecte vertheilt, Einheit des | ||||||
| 19 | Gedankens ausmachen sollten; daher kann der Materialism nie zum | ||||||
| 20 | Erklärungsprinzip der Natur unsrer Seele gebraucht werden. | ||||||
| 21 | Betrachten wir aber Körper sowohl als Seele nur als Phänomene, | ||||||
| 22 | welches, da beyde Gegenstände der Sinne sind, nicht unmöglich ist, und | ||||||
| 23 | bedenken, daß das Noumenon, was jener Erscheinung zum Grunde liegt, | ||||||
| 24 | d.i. der äußere Gegenstand, als Ding an sich selbst, vielleicht ein einfaches | ||||||
| 25 | Wesen sein möge — —* | ||||||
| 26 | Über diese Schwierigkeit aber weggesehen, d.i. wenn auch Seele | ||||||
| 27 | und Körper als zwey specifisch-verschiedene Substanzen, deren Gemeinschaft | ||||||
| 28 | den Menschen ausmacht, angenommen werden, bleibt es für alle | ||||||
| 29 | Philosophie, vornehmlich für die Metaphysik, unmöglich auszumachen, | ||||||
| 30 | was und wie viel die Seele, und was, oder wieviel der Körper selbst zu | ||||||
| 31 | den Vorstellungen des innern Sinnes beytrage, ja, ob nicht vielleicht, | ||||||
| 32 | wenn eine dieser Substanzen von der andern geschieden wäre, die Seele | ||||||
| 33 | schlechterdings alle Art Vorstellungen (Anschauen, Empfinden und Denken) | ||||||
| 34 | einbüßen würde. | ||||||
| 35 | * Hier ist im Manuscript eine leere Stelle geblieben (Rink). | ||||||
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