Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 264 |
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| 01 | Der Vesuv hingegen war ehedeß ein schöner, mit Wald bewachsener | ||||||
| 02 | Berg. Seit der Erbauung Roms hat er nicht eher als zur Zeit Vespasians | ||||||
| 03 | Feuer ausgeworfen, von welchem Ausbruche uns Plinius einen umständlichen | ||||||
| 04 | Bericht hinterlassen hat ( Epist. 6. 16.), und bei welchem die | ||||||
| 05 | erst in diesem Jahrhunderte wieder tief unter der Erde aufgefundenen | ||||||
| 06 | Städte Herculanum, Pompeji und Stabiä verschüttet wurden. Der Vesuv | ||||||
| 07 | konnte indessen vielleicht auch schon in noch ältern Zeiten Feuer herausgeworfen | ||||||
| 08 | haben, um so mehr, da er nach der erwähnten Eruption wieder | ||||||
| 09 | 500 Jahre lang ruhig blieb und bewuchs! | ||||||
| 10 | Wenn dieser Berg auszuwerfen anfangen will, so hört man um und | ||||||
| 11 | in Neapel unter der Erde ein starkes Krachen und Rasseln, wie das eines | ||||||
| 12 | Wagens. Hierauf erhebt sich aus seiner Öffnung eine Säule von Dämpfen, | ||||||
| 13 | welche am Tage einer Rauch= und in der Nacht einer Feuersäule ähnlich | ||||||
| 14 | sieht, sonst aber, wie Plinius berichtet, wie ein Baum gestaltet sein soll, | ||||||
| 15 | da nämlich der Rauch anfangs gleich einer Säule heraufsteigt, dann aber | ||||||
| 16 | von der Luft nach allen Seiten hingedrückt wird. Hierauf wirft der Vesuv | ||||||
| 17 | eine unbeschreibliche Menge Asche aus, und es folgen viele große Steine, | ||||||
| 18 | unter denen sich auch Bimssteine befinden. Nicht selten fließt auch aus | ||||||
| 19 | ihm zugleich eine ungeheure Menge heißen Wassers hervor; ja, es quillt | ||||||
| 20 | endlich die sogenannte Lava heraus, eine geschmolzene und öfters metallartige | ||||||
| 21 | Materie, aus der die neapolitanischen Goldschmiede sogar zuweilen | ||||||
| 22 | etwas Gold zu ziehen im Stande sein sollen. | ||||||
| 23 | Mehrentheils kommt diese Lava in einer breiartigen Consistenz zum | ||||||
| 24 | Vorscheine, zuweilen aber ist sie auch in der Art flüssig, daß sie in kurzer | ||||||
| 25 | Zeit einige Meilen weit fortrückt. Endlich erhärtet sie, so daß sie in Neapel | ||||||
| 26 | zum Straßenpflaster gebraucht werden kann. Die Lava des Ätna und | ||||||
| 27 | Vesuv sind indessen einigermaßen von einander verschieden. | ||||||
| 28 | Der Auswurf des Vesuv erfolgt mehrentheils nur nach der südlichen | ||||||
| 29 | und westlichen Seite hin; und weil einige Weine zum guten Fortkommen | ||||||
| 30 | einen steinichten Boden erfordern: so findet man auf seiner nördlichen und | ||||||
| 31 | östlichen Seite die schönsten Weine und unter denselben auch die sogenannten | ||||||
| 32 | Lacrimas Christi . Läge der Vesuv nicht so nahe an dem Meere, | ||||||
| 33 | so würde er einen weit größern Schaden anrichten, als es dieser jetzt | ||||||
| 34 | wirklich ist. | ||||||
| 35 | Die ersten Nachrichten von einem Auswurfe des Vesuvs haben wir, | ||||||
| 36 | wie gesagt, aus der Zeit, da die Stadt Herculanum von seiner Asche bedeckt, | ||||||
| 37 | wahrscheinlich aber zugleich auch durch ein Erdbeben versenkt wurde. | ||||||
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