Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 053 |
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Text (Kant):
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| 01 | eines Erkenntnisses für problematische Urtheile bestimmt | ||||||
| 02 | ist; | ||||||
| 03 | 2) der Satz des zureichenden Grundes ( principium rationis sufficientis ), | ||||||
| 04 | auf welchem die (logische) Wirklichkeit einer Erkenntniß | ||||||
| 05 | beruht, daß sie gegründet sei, als Stoff zu assertorischen Urtheilen; | ||||||
| 06 | 3) der Satz des ausschließenden Dritten ( principium exclusi | ||||||
| 07 | medii inter duo contradictoria ), worauf sich die (logische) Nothwendigkeit | ||||||
| 08 | eines Erkenntnisses gründet - daß nothwendig so und | ||||||
| 09 | nicht anders geurtheilt werden müsse, d. i. daß das Gegentheil falsch | ||||||
| 10 | sei - für apodiktische Urtheile. | ||||||
| 11 | Das Gegentheil von der Wahrheit ist die Falschheit, welche, sofern | ||||||
| 12 | sie für Wahrheit gehalten wird, Irrthum heißt. Ein irriges Urtheil | ||||||
| 13 | denn Irrthum sowohl als Wahrheit ist nur im Urtheile - ist also ein | ||||||
| 14 | solches, welches den Schein der Wahrheit mit der Wahrheit selbst verwechselt. | ||||||
| 16 | Wie Wahrheit möglich sei, das ist leicht einzusehen, da hier der | ||||||
| 17 | Verstand nach seinen wesentlichen Gesetzen handelt. | ||||||
| 18 | Wie aber Irrthum in formaler Bedeutung des Worts, d. h. | ||||||
| 19 | wie die verstandeswidrige Form des Denkens möglich sei, das ist | ||||||
| 20 | schwer zu begreifen, so wie es überhaupt nicht zu begreifen ist, wie irgend | ||||||
| 21 | eine Kraft von ihren eigenen wesentlichen Gesetzen abweichen solle. Im | ||||||
| 22 | Verstande selbst und dessen wesentlichen Gesetzen können wir also den | ||||||
| 23 | Grund der Irrthümer nicht suchen, so wenig als in den Schranken des | ||||||
| 24 | Verstandes, in denen zwar die Ursache der Unwissenheit, keinesweges | ||||||
| 25 | aber des Irrthumes liegt. Hätten wir nun keine andre Erkenntnißkraft | ||||||
| 26 | als den Verstand: so würden wir nie irren. Allein es liegt, außer dem | ||||||
| 27 | Verstande, noch eine andre unentbehrliche Erkenntnißquelle in uns. Das | ||||||
| 28 | ist die Sinnlichkeit, die uns den Stoff zum Denken giebt und dabei nach | ||||||
| 29 | andern Gesetzen wirkt als der Verstand. Aus der Sinnlichkeit an und | ||||||
| 30 | für sich selbst betrachtet kann aber der Irrthum auch nicht entspringen, | ||||||
| 31 | weil die Sinne gar nicht urtheilen. | ||||||
| 32 | Der Entstehungsgrund alles Irrthums wird daher einzig und allein | ||||||
| 33 | in dem unvermerkten Einflusse der Sinnlichkeit auf den Verstand, | ||||||
| 34 | oder genauer zu reden, auf das Urtheil, gesucht werden müssen. | ||||||
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