Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 020 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | seine Gedanken andern mitzutheilen, um eine Doctrin verständlich zu | ||||||
| 02 | machen. | ||||||
| 03 | Aus dem, was wir über das Wesen und den Zweck der Logik bisher | ||||||
| 04 | gesagt haben, läßt sich nunmehr der Werth dieser Wissenschaft und der | ||||||
| 05 | Nutzen ihres Studiums nach einem richtigen und bestimmten Maaßstabe | ||||||
| 06 | schätzen. | ||||||
| 07 | Die Logik ist also zwar keine allgemeine Erfindungskunst und kein | ||||||
| 08 | Organon der Wahrheit - keine Algebra, mit deren Hülfe sich verborgene | ||||||
| 09 | Wahrheiten entdecken ließen. | ||||||
| 10 | Wohl aber ist sie nützlich und unentbehrlich als eine Kritik der Erkenntniß, | ||||||
| 11 | oder zu Beurtheilung der gemeinen so wohl als der speculativen | ||||||
| 12 | Vernunft, nicht um sie zu lehren, sondern nur um sie correct und | ||||||
| 13 | mit sich selbst übereinstimmend zu machen. Denn das logische Princip | ||||||
| 14 | der Wahrheit ist Übereinstimmung des Verstandes mit seinen eigenen allgemeinen | ||||||
| 15 | Gesetzen. | ||||||
| 16 | Was endlich die Geschichte der Logik betrifft, so wollen wir hierüber | ||||||
| 17 | nur Folgendes anführen: | ||||||
| 18 | Die jetzige Logik schreibt sich her von Aristoteles' Analytik. Dieser | ||||||
| 19 | Philosoph kann als der Vater der Logik angesehen werden. Er trug sie | ||||||
| 20 | als Organon vor und theilte sie ein in Analytik und Dialektik. Seine | ||||||
| 21 | Lehrart ist sehr scholastisch und geht auf die Entwickelung der allgemeinsten | ||||||
| 22 | Begriffe, die der Logik zum Grunde liegen, wovon man indessen keinen | ||||||
| 23 | Nutzen hat, weil fast alles auf bloße Subtilitäten hinausläuft, außer | ||||||
| 24 | daß man die Benennungen verschiedener Verstandeshandlungen daraus | ||||||
| 25 | gezogen. | ||||||
| 26 | Übrigens hat die Logik von Aristoteles' Zeiten her an Inhalt nicht | ||||||
| 27 | viel gewonnen und das kann sie ihrer Natur nach auch nicht. Aber sie | ||||||
| 28 | kann wohl gewinnen in Ansehung der Genauigkeit, Bestimmtheit | ||||||
| 29 | und Deutlichkeit. Es giebt nur wenige Wissenschaften, die in einen | ||||||
| 30 | beharrlichen Zustand kommen können, wo sie nicht mehr verändert werden. | ||||||
| 31 | Zu diesen gehört die Logik und auch die Metaphysik. Aristoteles hatte | ||||||
| 32 | keinen Moment des Verstandes ausgelassen; wir sind darin nur genauer, | ||||||
| 33 | methodischer und ordentlicher. | ||||||
| [ Seite 019 ] [ Seite 021 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||