Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 277

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
§ 23.
     
           
  02 Die Erwerbung nach diesem Gesetz ist dem Gegenstande nach dreierlei:      
  03 Der Mann erwirbt ein Weib, das Paar erwirbt Kinder und die      
  04 Familie Gesinde. - Alles dieses Erwerbliche ist zugleich unveräußerlich      
  05 und das Recht des Besitzers dieser Gegenstände das allerpersönlichste.      
           
  07
Des Rechts der häuslichen Gesellschaft
     
  08
erster Titel:
     
  09
Das Eherecht.
     
           
  10
§ 24.
     
           
  11 Geschlechtsgemeinschaft ( commercium sexuale ) ist der wechselseitige      
  12 Gebrauch, den ein Mensch von eines anderen Geschlechtsorganen      
  13 und Vermögen macht ( usus membrorum et facultatum sexualium alterius ),      
  14 und entweder ein natürlicher (wodurch seines Gleichen erzeugt      
  15 werden kann), oder unnatürlicher Gebrauch und dieser entweder an      
  16 einer Person ebendesselben Geschlechts, oder einem Thiere von einer anderen      
  17 als der Menschen=gattung; Welche Übertretungen der Gesetze, unnatürliche      
  18 Laster ( crimina carnis contra naturam ), die auch unnennbar      
  19 heißen, als Läsion der Menschheit in unserer eigenen Person durch gar      
  20 keine Einschränkungen und Ausnahmen wider die gänzliche Verwerfung      
  21 gerettet werden können.      
           
  22 Die natürliche Geschlechtsgemeinschaft ist nun entweder die nach der      
  23 bloßen thierischen Natur ( vaga libido, venus volgivaga, fornicatio ), oder      
  24 nach dem Gesetz. - Die letztere ist die Ehe ( matrimonium ), d. i. die      
  25 verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen      
  26 wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften. - Der Zweck, Kinder      
  27 zu erzeugen und zu erziehen, mag immer ein Zweck der Natur sein, zu      
  28 welchem sie die Neigung der Geschlechter gegeneinander einpflanzte; aber      
  29 daß der Mensch, der sich verehlicht, diesen Zweck sich vorsetzen müsse,      
  30 wird zur Rechtmäßigkeit dieser seiner Verbindung nicht erfordert; denn      
  31 sonst würde, wenn das Kinderzeugen aufhört, die Ehe sich zugleich von      
  32 selbst auflösen.      
           
  33 Es ist nämlich, auch unter Voraussetzung der Lust zum wechselseitigen      
  34 Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften, der Ehevertrag kein beliebiger,      
           
     

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