Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 390

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 versteigen, hat noch niemand bezweifelt. Die Frage kann also nur sein:      
  02 ob dieser Grundsatz bloß subjectiv gültig, d. i. bloß Maxime unserer      
  03 Urtheilskraft, oder ein objectives Princip der Natur sei, nach welchem ihr      
  04 außer ihrem Mechanism (nach bloßen Bewegungsgesetzen) noch eine      
  05 andere Art von Causalität zukomme, nämlich die der Endursachen,      
  06 unter denen jene (die bewegenden Kräfte) nur als Mittelursachen ständen.      
           
  07 Nun könnte man diese Frage oder Aufgabe für die Speculation      
  08 gänzlich unausgemacht und unaufgelöset lassen: weil, wenn wir uns mit      
  09 der letzteren innerhalb den Gränzen der bloßen Naturerkenntniß begnügen,      
  10 wir an jenen Maximen genug haben, um die Natur, so weit als menschliche      
  11 Kräfte reichen, zu studiren und ihren verborgensten Geheimnissen      
  12 nachzuspüren. Es ist also wohl eine gewisse Ahnung unserer Vernunft,      
  13 oder ein von der Natur uns gleichsam gegebener Wink, daß wir vermittelst      
  14 jenes Begriffs von Endursachen wohl gar über die Natur hinauslangen      
  15 und sie selbst an den höchsten Punkt in der Reihe der Ursachen      
  16 knüpfen könnten, wenn wir die Nachforschung der Natur (ob wir gleich      
  17 darin noch nicht weit gekommen sind) verließen, oder wenigstens einige      
  18 Zeit aussetzten und vorher, worauf jener Fremdling in der Naturwissenschaft,      
  19 nämlich der Begriff der Naturzwecke, führe, zu erkunden      
  20 versuchten.      
           
  21 Hier müßte nun freilich jene unbestrittene Maxime in die ein weites      
  22 Feld zu Streitigkeiten eröffnende Aufgabe übergehen: ob die Zweckverknüpfung      
  23 in der Natur eine besondere Art der Causalität für dieselbe beweise;      
  24 oder ob sie, an sich und nach objectiven Principien betrachtet,      
  25 nicht vielmehr mit dem Mechanism der Natur einerlei sei, oder auf einem      
  26 und demselben Grunde beruhe: nur daß wir, da dieser für unsere Nachforschung      
  27 in manchen Naturproducten oft zu tief versteckt ist, es mit einem      
  28 subjectiven Princip, nämlich dem der Kunst, d. i. der Causalität nach      
  29 Ideen, versuchen, um sie der Natur der Analogie nach unterzulegen;      
  30 welche Nothülfe uns auch in vielen Fällen gelingt, in einigen zwar zu      
  31 mißlingen scheint, auf alle Fälle aber nicht berechtigt, eine besondere, von      
  32 der Causalität nach bloß mechanischen Gesetzen der Natur selbst unterschiedene      
  33 Wirkungsart in die Naturwissenschaft einzuführen. Wir wollen,      
  34 indem wir das Verfahren (die Causalität) der Natur wegen des zweckähnlichen,      
  35 welches wir in ihren Producten finden, Technik nennen, diese      
  36 in die absichtliche ( technica intentionalis ) und in die unabsichtliche      
  37 ( technica naturalis ) eintheilen. Die erste soll bedeuten: daß das productive      
           
     

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