Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 248

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 3. Die Synthesis der Bedingungen des reinen Denkens.      
           
  02 In allen diesen drei Fällen beschäftigt sich die reine Vernunft blos      
  03 mit der absoluten Totalität dieser Synthesis, d. i. mit derjenigen Bedingung,      
  04 die selbst unbedingt ist. Auf diese Eintheilung gründet sich auch      
  05 der dreifache transscendentale Schein, der zu drei Abschnitten der Dialektik      
  06 Anlaß giebt und zu eben so viel scheinbaren Wissenschaften aus      
  07 reiner Vernunft, der transscendentalen Psychologie, Kosmologie und Theologie,      
  08 die Idee an die Hand giebt. Wir haben es hier nur mit der ersteren      
  09 zu thun.      
           
  10 Weil wir beim Denken überhaupt von aller Beziehung des Gedanken      
  11 auf irgend ein Object (es sei der Sinne oder des reinen Verstandes) abstrahiren:      
  12 so ist die Synthesis der Bedingungen eines Gedanken überhaupt      
  13 (no. 1) gar nicht objectiv, sondern blos eine Synthesis des Gedanken      
  14 mit dem Subject, die aber fälschlich für eine synthetische Vorstellung      
  15 eines Objects gehalten wird.      
           
  16 Es folgt aber auch hieraus, daß der dialektische Schluß auf die Bedingung      
  17 alles Denkens überhaupt, die selbst unbedingt ist, nicht einen      
  18 Fehler im Inhalte begehe (denn er abstrahirt von allem Inhalte oder      
  19 Objecte), sondern daß er allein in der Form fehle und Paralogism genannt      
  20 werden müsse.      
           
  21 Weil ferner die einzige Bedingung, die alles Denken begleitet, das      
  22 ich in dem allgemeinen Satze: Ich denke, ist, so hat die Vernunft es mit      
  23 dieser Bedingung, so fern sie selbst unbedingt ist, zu thun. Sie ist aber      
  24 nur die formale Bedingung, nämlich die logische Einheit eines jeden Gedanken,      
  25 bei dem ich von allem Gegenstande abstrahire, und wird gleichwohl      
  26 als ein Gegenstand, den ich denke, nämlich Ich selbst und die unbedingte      
  27 Einheit desselben, vorgestellt.      
           
  28 Wenn mir jemand überhaupt die Frage aufwürfe: von welcher Beschaffenheit      
  29 ist ein Ding, welches denkt?, so weiß ich darauf a priori nicht      
  30 das mindeste zu antworten, weil die Antwort synthetisch sein soll (denn      
  31 eine analytische erklärt vielleicht wohl das Denken, aber giebt keine erweiterte      
  32 Erkenntniß von demjenigen, worauf dieses Denken seiner Möglichkeit      
  33 nach beruht). Zu jeder synthetischen Auflösung aber wird Anschauung      
  34 erfordert, die in der so allgemeinen Aufgabe gänzlich weggelassen      
  35 worden. Eben so kann niemand die Frage in ihrer Allgemeinheit      
  36 beantworten: was wohl das für ein Ding sein müsse, welches beweglich      
  37 ist? Denn die undurchdringliche Ausdehnung (Materie) ist alsdann nicht      
           
     

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