Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 174 |
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| 01 | in dem Streite der Kräftenschätzung geherrscht hat, ein für allemal | ||||||
| 02 | gänzlich abgethan werde. | ||||||
| 03 | § 154. |
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| 04 | Herr von Musschenbroek spricht: die Feder ist in beiden Fällen | ||||||
| 05 | gleich gespannt, folglich hat sie in beiden gleiche Kraft, sie theilt aber | ||||||
| 06 | jedesmal ihrem Cylinder ihre ganze Kraft mit, also giebt sie auch | ||||||
| 07 | beide Male, wenn sie sich ausstreckt, ihrem Cylinder eine gleiche Kraft. | ||||||
| 08 | Dieses ist das Fundament des Beweises, aber auch des Irrthums, | ||||||
| 09 | wiewohl dieser nicht sowohl persönlich dem Herrn von Musschenbroek, | ||||||
| 10 | als vielmehr den gesammten Vertheidigern der Leibnizischen Kräftenschätzung | ||||||
| 11 | eigen ist. | ||||||
| 12 | Wenn man von der ganzen Kraft einer Feder redet, | Eine gleich gespannte | |||||
| 13 | so kann man darunter nichts anders als die Intension | Feder | |||||
| 14 | ihrer Spannung verstehen, welche derjenigen Kraft gleich | theilt einem | |||||
| 15 | ist, die der Körper, in den sie wirkt, in einem Moment | größeren | |||||
| 16 | von dem Drucke derselben überkommt. In Ansehung | Körper eine | |||||
| 17 | dieser kann man wohl sagen, daß sie gleich sei, der Körper, | größere Kraft | |||||
| 18 | in den die Feder wirkt, mag groß oder klein sein. Allein | mit, als einem | |||||
| 19 | wenn man auf diejenige Kraft sieht, welche dieselbe in | kleinern. | |||||
| 20 | einen Körper in einer gewissen Zeit durch ihre fortgesetzte Drückung | ||||||
| 21 | hineinbringt, so ist offenbar: daß die Größe der auf diese Weise in | ||||||
| 22 | den Körper gebrachten Kraft auf die Größe der Zeit ankomme, in | ||||||
| 23 | welcher die gleiche Drückung sich in dem Körper gehäuft hat; und | ||||||
| 24 | daß, je größer diese Zeit ist, desto größer auch die Kraft sei, die die | ||||||
| 25 | gleich gespannte Feder in derselben dem Körper ertheilt. Nun kann | ||||||
| 26 | man aber die Zeit, die die Feder, indem sie einen Körper fortstößt, | ||||||
| 27 | braucht, bis sie sich ganz ausgestreckt hat, länger machen, nachdem | ||||||
| 28 | man will, wenn man nämlich die Masse, die da fortgestoßen werden | ||||||
| 29 | soll, größer macht, wie dieses niemanden unbewußt ist; also kann man | ||||||
| 30 | auch nach Belieben veranstalten, daß eben dieselbe Feder bei gleicher | ||||||
| 31 | Spannung bald mehr, bald weniger Kraft durch ihre Ausstreckung | ||||||
| 32 | austheilt, nachdem die Masse, die durch die Feder getrieben wird, | ||||||
| 33 | vermehrt oder vermindert wird. Hieraus erhellt, wie widernatürlich | ||||||
| 34 | der Ausdruck ist: daß die Feder einem Körper, den sie fortstößt, durch | ||||||
| 35 | die Ausreckung ihre ganze Kraft ertheile. Denn die Kraft, die sie | ||||||
| 36 | dem Körper giebt, ist ein Erfolg, der nicht allein von der Kraft der | ||||||
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