Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 172 |
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| 01 | Unsere Bemühung, die wir bis daher hiezu angewandt haben, würde | ||||||
| 02 | unvollständig sein, wenn wir denjenigen Versuch und mechanischen Beweis, | ||||||
| 03 | der den hochberühmten Herrn von Musschenbroek zum Urheber | ||||||
| 04 | hat und folglich überredend und scharfsinnig ist, vorübergingen, ohne | ||||||
| 05 | unsere übernommene Kräftenlehre dawider zu schützen. Er hat durch | ||||||
| 06 | denselben die lebendige Kräfte in Leibnizischer Bedeutung zu vertheidigen | ||||||
| 07 | gedacht, und daher ist es unsere Pflicht ihn zu prüfen. | ||||||
| 08 | Wir werden bei genauer Erwägung desselben belehrt werden: daß | ||||||
| 09 | er nicht den verhofften Erfolg habe, sondern vielmehr Cartesens Kräftenma | ||||||
| 10 | bestätige. Und dieses wird unsere oft erwähnte Anmerkung aufs | ||||||
| 11 | neue bestätigen: daß man keine Spur einer nach dem Quadrat zu | ||||||
| 12 | schätzenden Kraft antreffe, so lange man ihren Ursprung nirgend anders, | ||||||
| 13 | als in den äußerlichen Ursachen zu finden vermeint, und daß die | ||||||
| 14 | wahrhafte lebendige Kraft nicht von draußen in dem Körper erzeugt | ||||||
| 15 | werde, sondern der Erfolg der bei der äußerlichen Sollicitation in dem | ||||||
| 16 | Körper aus der innern Naturkraft entstehenden Bestrebung ist; daß | ||||||
| 17 | also alle diejenige, die nichts als das Maß der äußerlich wirkenden | ||||||
| 18 | mechanischen Ursachen annehmen, um das Maß der Kraft in dem leidenden | ||||||
| 19 | Körper daraus zu bestimmen, wofern sie nur richtig urtheilen, | ||||||
| 20 | niemals etwas anders, als Cartesens Schätzung antreffen werden. | ||||||
| 21 | § 152. |
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| 22 | Der Beweis des Herrn von Musschenbroek ist | Musschenbroekscher | |||||
| 23 | folgender: | mechanischer | |||||
| Beweis | |||||||
| 24 | Nehmet einen hohlen Cylinder, an welchem eine Feder | der lebendigen | |||||
| 25 | feste gemacht ist. Aus dem Cylinder muß ein Stab hervorragen, | Kräfte. | |||||
| 26 | der mit Löchern versehen ist, und der durch die | ||||||
| 27 | Öffnung eines steifen Bleches durchgesteckt wird. Wenn ihr nun die | ||||||
| 28 | stählerne Feder an dieses Blech mit Gewalt andrücket und spannet, so | ||||||
| 29 | daß der Stab durch die Öffnung desselben weiter herausragt, so könnet | ||||||
| 30 | ihr sie in dieser Spannung erhalten, indem ihr auf der hervorragenden | ||||||
| 31 | Seite desselben einen Stift durch ein Loch des Stabes durchstecket. | ||||||
| 32 | Endlich hänget den Cylinder als ein Pendul an zwei Fäden an irgend | ||||||
| 33 | einer Maschine auf, sodann ziehet den Stift heraus, so wird die Feder | ||||||
| 34 | losschnellen und dem Cylinder eine gewisse Geschwindigkeit geben, die | ||||||
| 35 | durch die erlangte Höhe erkannt wird. Benennet diese Geschwindigkeit | ||||||
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