Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 155  | 
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| 01 | Weil ferner die völlige Lebendigwerdung der Kraft | Folglich ist | |||||
| 02 | die Ursache der freien und immerwährenden Erhaltung | auch nicht ohne | |||||
| 03 | der Bewegung ist, so folgt, daß diese auch nicht bei allen | Unterschied mit | |||||
| 04 | Geschwindigkeiten ohne Einschränkung möglich sei, sondern | allen Geschwindigkeiten | |||||
| 05 | daß dieselbe hier gleichfalls bestimmt sein muß, d. i. es | eine | |||||
| 06 | müsse die Geschwindigkeit eine gewisse bestimmte Größe | freie Bewegung | |||||
| 07 | haben, wenn der Körper mit derselben eine immerwährende, | möglich. | |||||
| 08 | unveränderte und freie Bewegung leisten soll; unter diesem bestimmten | ||||||
| 09 | Grade würde bei allen kleinern Graden dieses nicht möglich | ||||||
| 10 | sein, bis bei unendlich kleinem Grade Geschwindigkeit diese Eigenschaft | ||||||
| 11 | ganz verschwindet und die Dauer der Bewegung nur etwas Augenblickliches | ||||||
| 12 | ist. | ||||||
| 13 | Also wird die Regel der freien und unverminderten Fortsetzung | ||||||
| 14 | der Bewegung nicht überhaupt, sondern nur von einem gewissen Grade | ||||||
| 15 | Geschwindigkeit an gelten, unter demselben werden alle kleinere Grade | ||||||
| 16 | der Bewegungen sich von selber aufzehren und verschwinden, bis bei | ||||||
| 17 | unendlich kleinem Grade die Bewegung nur einen Augenblick dauert | ||||||
| 18 | und einer immerwährenden Ersetzung von draußen nöthig hat. Daher | ||||||
| 19 | gilt Newtons Regel in seiner unbestimmten Bedeutung nicht von den | ||||||
| 20 | Körpern der Natur: Corpus quodvis pergit in statu suo, vel quiescendi, | ||||||
| 21 | vel movendi, uniformiter, in directum, nisi a causa externa | ||||||
| 22 | statum mutare cogatur. | ||||||
| 23 | § 133. | 
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| 24 | Die Erfahrung bestätigt diese Anmerkung; denn | Die Erfahrung | |||||
| 25 | wenn die unendlich kleine Geschwindigkeit lebendig werden | bestätigt dieses. | |||||
| 26 | könnte, so müßte sie wegen der Proportion gegen die Lebendigwerdung | ||||||
| 27 | der endlichen Kräfte in unendlich kleiner Zeit lebendig werden (§ 122), | ||||||
| 28 | also würden zwei Körper, wenn sie nur allein den Druck der Schwere | ||||||
| 29 | ausübten, zwar nur ihren Geschwindigkeiten proportionale Kräfte | ||||||
| 30 | haben, aber so bald sie nur von ganz unmerklich kleinen Höhen herabgelassen | ||||||
| 31 | würden, so müßte ihre Kraft sogleich wie das Quadrat derselben | ||||||
| 32 | sein; welches dem Gesetze der Continuität und der Erfahrung | ||||||
| 33 | entgegen ist; denn wie wir schon erwähnt haben, so hat ein Körper, | ||||||
| 34 | der ein Glas durch sein Gewicht nicht zerbricht, auch nicht die Kraft es | ||||||
| 35 | zu zerbrechen, wenn man es eine ungemein kleine Entfernung davon auf | ||||||
| 36 | dasselbe fallen läßt, und 2 Körper, die einander gleich wiegen, werden sich | ||||||
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