Kant: Briefwechsel, Brief 86, An Iohann Georg Hamann. |
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| An Iohann Georg Hamann. | |||||||
| den 6 April 1774. | |||||||
| Der Forscher der ältesten Urkunde hatte die berühmte Hermesfigur | |||||||
| welche die Verkürzung der in Punkten vorgestellten Figur | |||||||
| des regelmäßigen Sechseks seyn soll | |||||||
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| (deren siebenter Punkt der Mittelpunkt ist) mit der Mystik der Zahl | |||||||
| sieben im Alterthume endlich auch mit denen sieben Tagen der | |||||||
| Schopfungsgeschichte verglichen und da Hermes nicht eine Persohn | |||||||
| sondern der erste Grundris aller menschlichen Wissenschaft zu seyn scheint | |||||||
| so stellete sich ihm die Eintheilung der gantzen Schopfung zusamt dem | |||||||
| Andenken des der sie gemacht hat auch in einer solchen Figur dar. | |||||||
| 1 | |||||||
| Licht | |||||||
| 2 | 3 | ||||||
| Himmel | Erde | ||||||
| 4 | |||||||
| Lichter | |||||||
| (Sonne, Mond, Sterne) | |||||||
| 5 | 6 | ||||||
| Himmels= | Erdgeschöpfe | ||||||
| (Luft u Wasser=) | |||||||
| 7 | |||||||
| Sabbath. | |||||||
| Ietzt sahe er dieses Capitel nicht wie eine Geschichte der Welterschaffung | |||||||
| sondern als einen Abris der ersten Unterweisung des Menschlichen | |||||||
| Geschlechts an mithin als eine Art von methodo tabellari deren | |||||||
| sich Gott bedienet hat die Begriffe des Menschlichen Geschlechts | |||||||
| vermittelst einer solchen Eintheilung aller Gegenstände der Natur | |||||||
| zu bilden daß die Erinnerung einer jeden Classe derselben an einen | |||||||
| besondern Tag geheftet wurde worunter der siebente welcher den | |||||||
| Abschnitt machte das Gantze zu befassen dienen konte. Hie habe nun | |||||||
| Gott die Figur den oben vorgestellten allbedeutenden Schriftzug, keine | |||||||
| aegyptische sondern unmittelbar göttliche Erfindung mit der Sprache | |||||||
| verbunden und Schrift so wohl als Sprache hätten sich in diesem | |||||||
| ersten göttlichen Unterricht vereinigt woraus nachher alle menschliche | |||||||
| Erkentnis abgestammet sey. Die älteste Urkunde ist seinem Urtheile | |||||||
| nach nicht das erste Capitel der Bücher Mose selbst denn dieses ist | |||||||
| nur die richtigste Vorstellung der göttlichen Lehrmethode sondern es | |||||||
| enthält die tradition von der Art wie alle Völker der Erde ihren | |||||||
| ersten Unterricht bekommen haben und welche mehrere Völker ein | |||||||
| jedes nach seiner Geschlechtslinie aufbehalten hatten. Indessen wenn | |||||||
| Moses uns den Sinn besser aufbehalten hat so hat man den Aegyptern | |||||||
| allein die Aufbewahrung der Figur zu verdanken welche als der Anfang | |||||||
| aller Schrift unmittelbar aus der Hand Gottes gekommen ist. | |||||||
| der Nutze der Wochabtheilungen wird hiebey vornemlich an der Einführung | |||||||
| des Sabbaths gewiesen eigentlich nur in so fern sie dazu dienen | |||||||
| solte alle die mitgetheilte Elemente der Erkentnis aufzubehalten und zu | |||||||
| erinnern zugleich aber auch um ein Zeitmaas zu seyn imgleichen die | |||||||
| einfältigste Vorübung in Zahlgebegriffen. die Figur diente das Feld | |||||||
| der Meßkunst zu eröfnen etc | |||||||
| Diese Figur die mystische Zahl Sieben die tage der Woche etc sind | |||||||
| nun als das allgemeine Denkmal des ersten Unterrichts welchen [G]Ot[t] | |||||||
| selbst den Menschen gab von verschiedenen Völker nach jedes seinem Geschmak | |||||||
| in allerley symbola eingehüllet worden Moses kleidete das Denkmal | |||||||
| in die allegorie der Schöpfungsgeschichte. Die Griechen in die | |||||||
| Lautbuchstaben, | |||||||
| α | |||||||
| ε | η | ||||||
| ι | |||||||
| ο | υ | ||||||
| ω | |||||||
| die Leyer mit den sieben Tönen. die Theogonien der Phoenicier und | |||||||
| Ae[g]ypter, selbst die Figur der Pyramiden und Obelisqven war nur eine | |||||||
| etwas veränderte abbildung von jenem heiligen Monogramm dem | |||||||
| Schriftzuge Gottes und dem a b c Brette der Menschen. | |||||||
| Wie sich die Wissenschaft z. E. Astronomie vergrößerten so disponirte | |||||||
| man unter andern die vermeintliche 7 Planeten nach dem uralten | |||||||
| Modelle. Alle Autoren welche davor hielten jenes große Symbol | |||||||
| wäre von diesen 7 Planeten von den 7 Thönen innerhalb einer octav | |||||||
| etc entlehnt irreten gröblich. die Geschicklichkeit sieben und weiter zu | |||||||
| zählen imgleichen alle andre Erkentnis und Wissenschaft ging vielmehr | |||||||
| von demselben aus, u.s.w. | |||||||
| Wenn Sie werther Freund meinen Begrif, von der Hauptabsicht | |||||||
| des Verfassers, worinn zu verbessern finden so bitte mir Ihre Meinung in | |||||||
| einigen Zeilen aus; aber wo möglich in der Sprache der Menschen. Denn | |||||||
| ich armer Erdensohn bin zu der Göttersprache der Anschauenden | |||||||
| Vernunft garnicht organisirt. Was man mir aus den gemeinen Begriffen | |||||||
| nach logischer Regel vorbuchstabiren kan das erreiche ich noch | |||||||
| wohl. Auch verlange ich nichts weiter als das thema des Verfassers | |||||||
| zu verstehen denn es in seiner gantzen Würde mit Evidentz zu erkennen | |||||||
| ist nicht eine Sache worauf ich Anspruch mache. | |||||||
| Kant. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 153 ] [ Brief 85 ] [ Brief 87 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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