Kant: Briefwechsel, Brief 763, Von Ludwig Wilhelm Wloemer.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Ludwig Wilhelm Wloemer.      
           
  22. Iuli 1797.      
           
  Wohlgebohrner Herr      
  Hochzuehrender Herr Profeßor!      
  Ew Wohlgebohren haben meinen Vater von den Universitäts      
  Iahren her mit brüderlicher Freundschaft zu beehren, und mir selbst      
  wärend meines academischen Auffenthalts in Königsberg Beweise Dero      
  Wohlwollens zu geben geruht. Ich halte es daher für meine Pflicht      
  Denenselben den mir schmerzhaften Todes Fall meines innigst geliebten      
  und verehrten Vaters zu melden. Lange schon nagte der Kummer      
  einer früh verlohrenen Tochter an seinem Herzen: er suchte ihn aber      
  zu verbergen, bis er endlich diesen Winter hindurch zu kränkeln anfing.      
  Er glaubte indessen diesen Sommer eine radical Kur zu gebrauchen,      
  und aufs Land zu ziehen. Allein plötzlich fiel er ein. Gichtische      
  Materie hatte sich auf die Brust geworfen. Der Artzt suchte sie durch      
  Evacuationen wegzuschaffen, und nun trat eine Schwäche ein, welche      
  an 3 Wochen dauerte, und die letzten 4 Tage dergestalt zunahm, da      
  er am 21sten dieses Monats Morgends um 2 Uhr verschied nachdem      
  er das 72 Iahr erreicht hatte. Von Ew Wohlgebohren gütigen Theilnahme      
  überzeugt, wünsche ich nur daß dieser Todes Fall Dieselben in      
           
  Dero hohem Alter nicht zu sehr alterire, und die Vorsehung Sie noch      
  lange zum Besten der Menschheit und der wahren Aufklärung erhalte.      
  Der ich mit ausgezeichneter Hochachtung zu verharren die Ehre habe.      
           
    Ew Wohlgebohren      
  Berlin den 22sten Iuly 1797. gehorsamster Diener      
    Wloemer      
           
           
           
     

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