Kant: Briefwechsel, Brief 725, Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. |
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| Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. | |||||||
| Berlin den 3ten December. 1796. | |||||||
| Zärtlich geliebter Freund, | |||||||
| Der gütige Antheil den Sie an meinen Schicksalen nehmen und | |||||||
| von dem Sie mir auch in Ihrem letzten Briefe Beweise geben, macht | |||||||
| mich so dreist, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten. Ich hatte die Ehre | |||||||
| Ihnen in meinem vorhergehenden Briefe zu melden, daß meine | |||||||
| Lage durch die Vermählung der Prinzessin Auguste mit dem Erbprinzen | |||||||
| von Hessenkassel, die zu Anfange des neuen Iahres erfolgt, | |||||||
| nothwendig verändert werden muß, weil das Gehalt was ich für den | |||||||
| Unterricht der beiden Prinzen erhalte, viel zu gering ist, um auch | |||||||
| nur meine nothwendigsten Bedürfnisse zu befriedigen. Eine Pension | |||||||
| vom Könige zu erhalten ist an sich schon schwierig, weil es an Geld | |||||||
| fehlt und für die Zukunft ungewiß, und überdis bin ich ein junger | |||||||
| Mann, der noch arbeiten kann und will. Daß man etwas für mich | |||||||
| thun wird, ist äußerst wahrscheinlich und ich habe durch achtjährigen | |||||||
| Fleiß Ansprüche darauf; ich wünschte daher eine Stelle zu erhalten, | |||||||
| die mich hinlänglich nährt, meinen Kenntnissen und Kräften angemessen | |||||||
| ist und mir doch noch Zeit zum fernern Studio der Wissenschaften | |||||||
| übrig läßt. Diese Stelle darf aber nicht von der Art sein, daß sie | |||||||
| Fakultätserkenntniße erforderte, denn die habe ich nicht und sie erst zu | |||||||
| erwerben ist zu viel Schwierigkeiten ausgesetzt. Ich glaube daher, | |||||||
| das Beste für mich wäre, mich bei dem Accisedepartement, das dem | |||||||
| Minister Struensee unterworfen ist, anstellen zu laßen. Den Gang der | |||||||
| Geschäfte werde ich freilich erst lernen müßen, ehe ich eine Stelle bei | |||||||
| diesem Departement bekommen kann, nur glaube ich, daß ich die | |||||||
| nöthigen Kenntniße durch angestrengten Fleiß mir leicht werde erwerben | |||||||
| können. Um aber hier nach Wunsch zu reussiren, ist es nothwendig, | |||||||
| daß der Minister mich gern aufnimmt, und ich ihm nicht etwa vom | |||||||
| Könige aufgedrungen werde; ich hoffe die Prinzessin und wo moglich | |||||||
| der Kronprinz sollen sich deshalb bei Struensee verwenden, aber mehr | |||||||
| als alle diese fürstlichen Empfehlungen würde die Empfehlung eines | |||||||
| Mannes sein, der überall die höchste Achtung genießt und der in | |||||||
| Rücksicht auf Fähigkeit und Würdigkeit der competenteste Richter ist. | |||||||
| Ich bitte Sie also recht sehr, verehrungswürdiger Freund, mir ein | |||||||
| Empfehlungsschreiben an den Minister Struensee zu schicken, ich will | |||||||
| gar gern eine Zeit lang ohne bestimmtes Amt arbeiten, und ich denke, | |||||||
| daß der König mir bis zu meiner wirklichen Anstellung eine kleine | |||||||
| Pension laßen wird. Sie sehen wohl, bester HErr Professor, daß ich | |||||||
| nicht von unten herauf als Geheimer Sekretär u.s.w. dienen kann, | |||||||
| aber um die Geschäfte eines Departements kennen zu lernen, braucht | |||||||
| man ja nicht abzuschreiben. Dürfte ich nun wohl noch die Bitte hinzufügen, | |||||||
| mir so bald als es irgend möglich das besagte Empfehlungsschreiben | |||||||
| zu schicken, weil ich meine Angelegenheiten so bald der | |||||||
| König nach Berlin kömmt, und dis wird höchstens in 14 Tagen geschehen, | |||||||
| betreiben muß. Ich habe zu große Beweise Ihrer Liebe für | |||||||
| mich, als daß ich nicht mit Sicherheit erwarten könnte, Sie würden | |||||||
| meine Bitte erfüllen. | |||||||
| Ihre Aufträge habe ich richtig besorgt und ich bitte Sie recht sehr, | |||||||
| mich bald wieder damit zu beehren. Die Teltover Rübchen müßen jetzt | |||||||
| schon in Königsberg angekommen sein, es wird mir recht viel Freude | |||||||
| machen, wenn Sie mir schreiben, daß sie nach Ihrem Geschmack | |||||||
| waren. - Herr Hahnrieder findet sich in seinem Zustande sehr glücklich, | |||||||
| er ist ein wackerer Mann, der gewiß unverändert den Weg zu | |||||||
| seinem Ziele verfolgen wird. Ich habe ihm die Stelle Ihres Briefs, | |||||||
| die auf ihn Beziehung hat, vorgelesen und er hat herzliche Freude | |||||||
| darüber bezeigt, daß Sie sich an ihn erinnert haben. Wie er mir | |||||||
| sagte, hatte er schon vor mehreren Wochen an Sie geschrieben, und | |||||||
| er versprach mir, recht bald wieder einen Brief zu schicken. Er hat | |||||||
| jetzt schon eine solche Fertigkeit in den mechanischen Arbeiten erhalten, | |||||||
| daß ihm die Arbeit zur Lust geworden ist. Alle die ihn | |||||||
| kennen, schätzen ihn. | |||||||
| Allen meinen Freunden, die sich meiner gütigst erinnern, machen | |||||||
| Sie meine besten Empfehlung[en] und sein Sie versichert, daß ich ewig | |||||||
| mit der innigsten Liebe und Hochachtung [bin] | |||||||
| Ihr | |||||||
| dankbarer Schüler | |||||||
| I. G. C. Kiesewetter. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 127 ] [ Brief 724 ] [ Brief 726 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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