Kant: Briefwechsel, Brief 417, Von Iohann Andreas Christian Michelsen. |
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| Von Iohann Andreas Christian Michelsen. | |||||||
| 5. April 1790. | |||||||
| Wohlgeborner Herr | |||||||
| Insonders Hochzuehrender Herr Professor ! | |||||||
| Unter den Schülern, welche Sich Ew. Wohgeboren durch die Critik | |||||||
| der reinen Vernunft erworben haben, gehöre ich zu den spätern und zu | |||||||
| denen von der mittlern Gattung; zu den spätern, weil ich bald nach | |||||||
| der Erscheinung jenes Werks, wegen großer Nervenschwäche einige | |||||||
| Iahre anstrengende Beschäftigungen meiden mußte, und zu den mitlern, | |||||||
| theils wegen des Maßes meiner Fähigkeiten, theils deswegen, weil ich | |||||||
| mir vorgenommen habe, das Studium der Philosophie nicht eher ganz | |||||||
| anzufangen, als bis ich mit der Mathematik im reinen seyn werde. | |||||||
| Gleichwohl ist meine Verpflichtung wegen des aus der Critik der reinen | |||||||
| Vernunft geschöpften Unterrichts so groß, daß ich meine Dankbarkeit | |||||||
| Ew. Wohlgeboren nicht anders als unveränderlich und unbegrenzt | |||||||
| nennen kann, und ich hoffe daher gütige Verzeihung wegen der Freyheit, | |||||||
| Ew. Wohlgeboren beyfolgende Schrift, und zwar auf die Art, wie ich gethan | |||||||
| widmen. Was ich S. XXVII bis XXIX und an einigen andern | |||||||
| Orten beyder Vorreden gesagt habe, druckt nur etwas weniges von | |||||||
| aus, was ich empfinde; aber ich setze selbst hier nichts dazu, weil | |||||||
| und durch reelle Verdienste erzeugte Hochachtung jeden Schein | |||||||
| Schmeicheley haßt. Ein Recht hatte ich nicht, mich Ew. Wohlgeboren | |||||||
| wie ich S. XXVIII gethan, in dem Felde der Mathematik | |||||||
| aufzudringen as an under-labourer in clearing the ground | |||||||
| a little, and removing some of the rubbish, that lies in the way to | |||||||
| knowledge : allein die Wichtigkeit der Bestimmung eines Lehrers der | |||||||
| in Schulen, die ich S. LVII , und der Gesichtspunkt, den | |||||||
| S. LXXVI f. angegeben habe, machen es mir unmöglich, ohne | |||||||
| Winke und Fingerzeige von Preussens Philosophen dem Ziele mich zu | |||||||
| welches ich mir vorgesetzt, und wozu ich mich Iahrelang vorzubereiten | |||||||
| habe. Bin ich daher zu zudringlich gewesen, so habe | |||||||
| einen Entschuldigungsgrund, den ich wegen einer bereits angeführten | |||||||
| nicht hersetze. Ein Lehrer, wie Ew. Wohlgeboren weiset keinen | |||||||
| Schüler zurück, und der Fleck, den ich unter Ihrer Anleitung | |||||||
| für mich zum Garten machen mögte, ist nur ein kleiner | |||||||
| von dem Gebiete, welches Ihnen gehört. | |||||||
| Lagarde hat beyliegendes Päckgen für Ew Wohlgeboren beygelegt, | |||||||
| ersucht Dieselben das Exemplar meiner Uebersetzung gefälligst | |||||||
| Prof. Krausen zustellen zu lassen. Darf auch ich bitten, diesem | |||||||
| Gelehrten meine Ergebenheit zu bezeugen? Ich | |||||||
| die Ehre zu seyn | |||||||
| Ew. Wohlgebornen | |||||||
| Berlin | ganz ergebenster | ||||||
| 5ten April | I. A. C. Michelsen | ||||||
| 90. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 150 ] [ Brief 416 ] [ Brief 417a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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