Kant: Briefwechsel, Brief 263, Von Christian Iacob Kraus.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christian Iacob Kraus.      
           
  21. März 1786.      
           
  Gern hätte Ihnen, Theurster Herr Professor, schon früher von      
  dem Ausschlag der gestrigen Conferenz Nachricht gegeben; aber die      
  Frühstunden kann ich vor Kälte nicht benutzen, und den Vormittag      
  von 8 bis 11 Uhr muß ich im Auditorio zubringen, und heute nach      
  11 Uhr fand ich für nöthig, die verzweifelte Turnustheorie noch einmal      
  durchzudenken und eine leichtere Darstellung derselben zu versuchen,      
  die denn nun auch bereits zum Oberhofprediger abgeschickt ist,      
  um noch heute unter den Senatoren zu circuliren. Werden Sie noch      
  an Ihrem Rechte aufs Rectorat zweifeln, wenn ich Ihnen sage, da      
  Prof. Reusch dies Ihr Recht in einem langen mit Belägen versehenen      
  Gutachten förmlich bewiesen hat? Er, der wider dies Ihr Recht so      
  viel Einwendungen machte, und mich mit meinen, freylich damals noch      
  nicht genug geschärften, Argumenten so schnöde abfertigte, wird doch      
  wohl durch nichts anders, als durch die Unmöglichkeit, Ihr Recht auf      
  eine ehrliche Art schriftlich bestreiten zu können, zur Deducirung      
  dieses Rechts bewogen worden seyn. Sein Gutachten und mein Promemoria      
  werden hoffentlich noch heute bey den stimmfähigen Senatoren      
  herumgehen; und dann wäre so weit alles von Ihrem Rechte überzeugt,      
           
  bis auf Sie selbst; denn Ihr Widerpart kann unmöglich so schwer von      
  seinem Unrecht, als Sie von Ihrem Recht zu überzeugen seyn. Vor      
  Freuden über den Triumpf, daß ich gestern den Correferenten mir eben      
  die Sache mit eben den Beweisgründen vordeduciren hörte, mit welchen      
  ich ihm dieselbe Mittwochs und Sonnabends, ohne ihn überzeugen zu      
  können, vordeducirt hatte, vergaß ich wegen der Euchelschen Angelegenheit      
  mich zu erkundigen; ich werde aber auch diese noch heut aufs reine      
  zu bringen suchen.      
           
  Der Scrupel, daß Ao. 1780 Christiani, Bock, Werner und Buk      
  Senatoren waren muß doch wohl wegfallen, wenn Sie bedenken, da      
  falls alle diese 4 Herren noch lebten, das Rectorat von 1784 auf      
  Werner, das von 1786 auf Buck und erst das von 1788 wieder zurück      
  an Christiani - oder falls der schon todt und mein Lehrer Kant in      
  den Senat gerükt wäre, ihn vorbey, an den Senior Bock - gekommen      
  seyn würde. Nun wie es dann seyn würde, so muß es auch jetzt seyn,      
  nemlich daß nach Christiani's Rectorat noch drey Rectorate auf Senatoren      
  fallen müssen und erst das folgende für 1788 an den Senior      
  zurückgeht. Aber ich spreche lieber noch heut Abend an; bis dahin      
  empfehle ich mich Ihrer      
           
    Gewogenheit und Freundschaft.      
  d. 21 März 1786. Kraus.      
           
  Die böse Phrasis, das Rectorat müsse zum erstenmal      
  vorbeygehen, diese böse Phrasis ist es, was alle Begriffe verwirrt      
  und alle Schwierigkeiten macht. Es ist falsch daß das Rectorat vorbeygehen      
  müsse. Nach dem Senior Rector, müssen noch drei Rectorate      
  auf drey Senatoren fallen, und man müßte einen jeden dieser Senatoren      
  zum Rector wählen, wenn auch ein jeder erst acht Tage      
  vor der Wahlzeit in den Senat introducirt worden wäre.      
  Die Phrasis sollte abgeschafft werden.      
           
           
           
     

[ abgedruckt in : AA X, Seite 434 ] [ Brief 262 ] [ Brief 264 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ]