| Kant: Briefwechsel, Brief 108, Von Iohann Caspar Lavater. | |||||||
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| Von Iohann Caspar Lavater. | |||||||
| 6. März 1776. | |||||||
| Mein lieber Herr Kant! | |||||||
| So fern ich Ihnen in mancher Absicht scheinen muß - wie viel | |||||||
| näher bin ich Ihnen seit dem Augenblicke, da Sie mir das Vergnügen | |||||||
| verschafften, den Prinz von Holstein kennen zulernen. Sie können | |||||||
| denken, wie ich Ihnen nachgefragt, mir von Ihnen erzählen ließ, und | |||||||
| wie froh ich war, jemand zu finden, mit dem ich mich satt und nicht | |||||||
| satt über Kanten sprechen konnte. Wie oft wollt, ich seither an Sie | |||||||
| schreiben? - wie oft Ihnen danken für die lehrreichen Winke, die | |||||||
| Sie mir in Ihrem Briefe gaben - obgleich ich anders denke in | |||||||
| einigen Stücken . . . Aber ich lebe in einem Gewirre, einem Gedränge, | |||||||
| - daß ich oft meinen Liebsten nicht schreiben kann. | |||||||
| Warum ich izt Ihnen schreibe? | |||||||
| Verzeihen Sie - Noch zum lezten Male bemüh ich Sie um Sulzers | |||||||
| willen. Seine Leute wollen ihn loskaufen. Der Vater, ein Gerber, todt | |||||||
| Er, der Soldat, ein Gerber. Die Seinigen treiben den Gewerb fort. | |||||||
| Allso, wenn Hoffnung vorhanden ist, daß er zahmer geworden sey | |||||||
| wär's aller Vortheil, daß er los käme. Ich nehme mir allso die | |||||||
| Freyheit, Sie inständigst zubitten - diese Loskaufung, wenn Sie selbige | |||||||
| für den Menschen nicht nachtheilig finden, zu bewirken, und in dieser | |||||||
| Absicht send' ich Ihnen hier einen Wechsel von 12. Carlins unsers | |||||||
| Geldes. Sie sehen gewiß, ohne mein Erinnern, zu, daß diese Loskaufung | |||||||
| so wenig als möglich koste, und ihm noch Reisegeld übrig bleibe. | |||||||
| Reicht aber diese Summe nicht hin, so ersuch, ich Sie, ihm annoch das | |||||||
| unentbehrlich nöthige vorzustrecken. Ich stehe für die Vergütung. | |||||||
| Auch bitte ich Sie, alle Auslagen für Briefporti und alles große und | |||||||
| kleine, so daß Sie keinen Heller Unkosten haben, nicht zuberechnen, | |||||||
| sondern nur summariter zunennen. | |||||||
| Sulzern zuermahnen werden Sie gewiß nicht unterlaßen. | |||||||
| Es schneidet mir in die Seele, daß ich keine Zeile mehr zuschreiben | |||||||
| Zeit habe. | |||||||
| Gott sey mit Ihnen. | |||||||
| Ich bin Ihr aufrichtigergebener | |||||||
| Lavater. | |||||||
| den 6. März 1776. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 190 ] [ Brief 107 ] [ Brief 109 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||