Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Zum Ewigen ... , Seite 203

   
         
 

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  01 von Zahlen es nur drey einander unmittelbar (coniunctim) folgende und    
  02 so gleichsam verschwisterte Zahlen jener Art gebe was in der Menge der    
  03 Zahlen (sparsim) aufzufinden gar keine Verwunderung erregt. Wenn ich    
  04 aus der rationalität ein Wunderding machen wollte für den Schwärmer    
  05 so muß ich diese wählen weil sie in ihrer Art die einzige ist An der Stelle    
  06 worinn jener Satz steht kan man den Sinn in dem jenes Zahlverhältnis    
  07 genommen wird nicht verfehlen. Denn daß es an solchen pythagoräischen    
  08 Geheimkrämern nicht mangle zeigt die Erfahrung für den Mathematiker    
  09 hat jene Zahleigenschaft freylich keine Merkwürdigkeit. Sie ist im natürlichen    
  10 und so begreiflichen Laufe der Dinge. Indessen ist doch damit auch    
  11 nicht ausgemacht daß man um die Verwunderung aufzuheben die dem    
  12 Philosophen sich aufdringt wenn er über die gleichsam zweckmäßig zu Auflösung    
  13 vieler Aufgaben geeignete und in dem Begriffe eines Objects z. B.    
  14 des Cirkels vereinigte Eigenschaft wie eine so einfache Construction als die    
  15 des Kreises ist und über die Möglichkeit so vieler Vereinigung reflectirt    
  16 daß dieses durch Entwickelung der in dem Begriffe schon enthaltenen    
  17 Eigenschaften liege denn sie müssen in ihm synthetisch in der Anschauung    
  18 aufgefunden werden. Der Begriff enthält sie nicht in sich was dann auch    
  19 die in eben dieser Abhandlung angeführte Schwärmerei der Platoniker    
  20 veranlaßt hat.    
         
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Dritte Seite

   
         
  22 In einer Abhandlung der Berl. M. S. (May 1796 - S. 395, 396)    
  23 hatte ich unter anderen Beyspielen von der Schwärmerey angeführt zu    
  24 welchem die Versuche über mathematische Eigenschaften der Dinge zu    
  25 philosophiren leiten kann auch dem pythagorischen Mystiker der Zahlen    
  26 die Frage in den Mund gelegt:    
         
  27 „Was macht daß das razionale Verhältnis der drey Seiten eines    
  28 rechtwinklichten Dreyecks nur das der Zahlen 3, 4, 5 seyn kann? - Ich    
  29 hatte also diesen Satz für wahr angenommen. Hr. Doctor und Prof.    
  30 Reimarus (Berl. M. S. August 1796) aber wiederlegt ihn und beweiset    
  31 daß unendlich mehrere Zahlen als die genannten in gedachtem Verhältnisse    
  32 stehen können.    
         
  33 Nichts scheint klärer zu seyn als daß wir uns einander wiedersprechen    
  34 und doch verhält es sich nicht so weil beyde nicht von einem und demselben    
  35 Begriff ausgehen sondern ein jeder eben demselben Ausdruck einen andern    
  36 Begriff unterlegt wo dann beyde Recht haben können.    
         
         
     

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