Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 307

     
           
 

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  01 Denn im Raume allein setzen wir das Beharrliche, in der Zeit ist      
  02 unaufhorlicher Wechsel. Nun aber ist die Bestimmung des Daseyns eines      
  03 Dinges in der Zeit, d.i. in einem solchen Wechsel, unmöglich, ohne ihrer      
  04 Anschauung auch das Beharrliche zu verbinden. Dieses muß also ausser      
  05 uns als Gegenstand des äußeren Sinnes gegeben angeschauet werden.      
  06 Dieweil ich aber so fern ich zugleich mein Daseyn bestimmend und also      
  07 so fern mich meiner nicht empirisch bewust bin, so kan ich auch mich des      
  08 Beharrlichen ausser mir so fern nicht empirisch bewust seyn, d.i. als im      
  09 Raume gegeben, bewust seyn, sondern nur meiner Bestimmung der Vorstellung      
  10 derselben, so fern ich blos von ihnen afficirt bin nach der Form      
  11 des Raumes, welcher indem ich densleben Ziehe und dadurch zugleich      
  12 mich meines eigenen Daseyns in der Zeit bewust werde.      
           
  13 Die Anschauung eines Dinges als ausser mir setzt das Bewustseyn      
  14 einer Bestimmbarkeit meines Subiect voraus, bey welchem ich nicht selbst      
  15 bestimmend bin, die also nicht zur Spontaneität gehört, weil das Bestimmende      
  16 nicht in mir ist. Und in der That kan ich mir keinen Raum      
  17 als in mir denken*. Also ist die Moglichkeit, einen Dinge im Raum      
  18 als in der Anschauung vorzustellen, blos auf dem Bewustseyn einer      
  19 Bestimmung durch andere Dinge gegründet, welches nichts weiter als die      
  20 Ursprüngliche Passivität von mir bedeutet, bey der ich gar nicht thatig bin.      
  21 Daß der Traum eben dergleichen Täuschung hervorbringe von Existenzen      
  22 ausser mir, beweiset nichts dawieder; denn es mußten allemal äußere Warnehmungen      
  23 vorhergehen. Ursprünglich eine Vorstellung von etwas als      
  24 ausser mir zu bekommen, ohne in der That passiv zu seyn, ist unmöglich. —      
           
  25 *(s und durch den Raum wird bekommt die Vorstellung eines      
  26 obiects als ausser mir (in der Anschauung) zuerst Realität. Umgekehrt      
  27 würde ich durch den Raum auch den Begrif der Existenz von etwas ausser      
  28 mir bekommen. wenn nicht der Begrif einer Relation, die zum commercio      
  29 gehört, und zwar als in der Warnehmung gegeben, zum Grunde      
  30 läge. Dieser Begrif aber ist der der bloßen Passivität in einem Zustande      
     

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