Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 611

   
         
 

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  01 Wenn monarchen bis so weit erleuchtet seyn werden, daß sie ein solches    
  02 unternehmen mit moralischem Abscheu ansehen werden (wozu wirklich    
  03 nicht viel gehöret), wenn schmeichler, die sie in solchen thaten rühmen,    
  04 ohnerachtet ihrer talente doch keine Ehre erwerben: so werden sie iene    
  05 weder (g iene ) aliancen noch diese Beyfall finden. Das allgemeine Urtheil    
  06 wird beyden zuwieder seyn. Das Recht der Menschen wird allein die    
  07 Achtung bestimmen.    
         
   

 

1401.   π—ρ.   M 306'.   E I 661.
 
   
  09 Jeder Einzelne verabscheuet den tod; aber das Gemeine Wesen,    
  10 welches sich erhalten will, hat doch Ursach, der einzelnen tod zu wünschen.    
  11 Jeder will reich seyn, aber das Gemeine wesen wünscht Arme. Jeder will    
  12 vornehm seyn, aber das publicum verlangt Ungleichheit der Stände.    
  13 Jeder will große Talenten, das publicum aber bedarf gringe. Zwar    
  14 wünscht das publicum keine böse neigungen, aber durch dieser ihr Daseyn    
  15 wird allererst ein publicum möglich. So wird das besondere übel ein    
  16 Gut im Ganzen. Wolte man seinen Wunsch so steigern, daß wir ganz    
  17 andre Zeugungsgesetze, ganz andere Neigungen und Geisteskrafte dem    
  18 Menschen zuertheilen wolten, so würde dieser Wunsch, weil er seine eigne    
  19 Persohn aufhebt und an deren Statt eine andre setzt, ungereimt seyn.    
         
   

 

1402.   π—ρ.   M 306'.   E I 651.
 
   
  21 Es scheint, daß die zänkische, neidische und gewaltthätige Gemüthsart    
  22 des Menschen darum in seine Thierheit gelegt sey, damit die Menschen    
  23 sich zerstreuen und verbreiten. Wenn sie irgendwo genöthigt waren,    
  24 zusammen zu bleiben, so vereinigten sich Familien um sich zu vertheidigen.    
  25 und die nothwendigkeit und beyspiele machten unter sich die Gemüthsart    
  26 verträglich.    
         
     

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