Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 430

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zu sein. - Die auf gewisse Art geharnischte Vorrede wird Sie vielleicht      
  02 befremden; die Veranlassung dazu ist diese. Das ganze Werk      
  03 sollte in 4 Stücken in der Berliner Monats Schrift, doch mit der      
  04 Censur der dortigen Commission herauskommen. Dem ersten Stück gelang      
  05 dieses (unter dem Titel: vom radicalen Bösen in der m. N.); indem      
  06 es der philosophische Censor, Hr. G[eh]. R[ath] Hillmer, als zu      
  07 seinem Departement gehörend annahm. Das zweite Stück aber war nicht so      
  08 glücklich, weil Hr. Hillmer, dem es schien in die biblische Theologie      
  09 einzugreifen, (welches ihm das erste, ich weiß nicht aus welchem Grunde,      
  10 nicht zu thun geschienen hatte,) es für gut fand, darüber mit dem      
  11 biblischen Censor, Hrn. O[ber] C[onsistorial] R[ath] Hermes, zu conferiren,      
  12 der es alsdann natürlicher Weise, (denn welche Gewalt sucht      
  13 nicht ein bloser Geistlicher an sich zu reißen?) als unter seine Gerichtsbarkeit      
  14 gehörig in Beschlag nahm und sein legi verweigerte. - Die Vorrede      
  15 sucht nun zu zeigen, daß, wenn eine Censurcommission über die Rechtsame      
  16 dessen, dem die Censur einer Schrift anheim fallen sollte, in Ungewißheit      
  17 ist, der Autor es nicht auf sie dürfe ankommen lassen, wie sie sich      
  18 unter einander einigen möchten, sondern das Urtheil einer einheimischen      
  19 Universität aufrufen könne; weil da allein eine jede Facultät verbunden      
  20 ist, auf ihre Rechtsame zu halten und eine der anderen Ansprüche      
  21 zurückzuhalten, ein akademischer Senat aber in diesem Rechtsstreit      
  22 gültig entscheiden kann. - Um nun alle Gerechtigkeit zu erfüllen, habe      
  23 ich diese Schrift vorher der theologischen Facultät zu ihrer Beurtheilung      
  24 vorgelegt, ob sie auf dieselbe, als in biblische Theologie eingreifend,      
  25 Anspruch mache oder vielmehr ihre Censur, als der philosophischen zuständig,      
  26 von sich abweise, und diese Abweisung, dagegen Hinweisung      
  27 zu der letzteren auch erhalten.      
           
  28 Diesen Vorgang Ihnen, würdigster Mann, mitzutheilen, werde      
  29 ich durch Rücksicht auf den möglichen Fall, daß darüber sich etwa      
  30 ein öffentlicher Zwist ereignen dürfte, bewogen, um auch in Ihrem      
  31 Urtheil wegen der Gesetzmäßigkeit meines Verhaltens, wie ich hoffe,      
  32 gerechtfertigt zu sein. - Wobei ich mit der aufrichtigsten Hochachtung      
  33 jederzeit bin      
           
  34   Ew. HochEhrwürden      
  35   gehorsamster Diener      
  36   I. Kant.      
           
           
           
     

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