Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 388

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Grundzüge Ihres Systems der Beruhigung im Leiden aufzusetzen,      
  02 und mir solche theils zu meiner eignen Belehrung, theils zum      
  03 öffentlichen Gebrauch in einer periodischen Schrift, die ich unter dem      
  04 Titel: Beiträge zur Beruhigung u. Aufklärung wie auch zur nähern      
  05 Kenntniß der leidenden Menschheit herausgebe, und wovon gegen      
  06 Ostern das 3 St. des 3 B. gedruckt werden soll - gütigst mitzu theilen.      
  07      
           
  08 Ich habe vor 9 Iahren ein ganzes Buch über die Vortheile der      
  09 Leiden geschrieben. Ie näher ich mich an die kritische Philosophie      
  10 wage, und die Schranken meiner Einsichten kennen lerne: desto weniger      
  11 finde ich in meinem eignen Beruhigungssystem noch die vorige mir      
  12 so wohlthätig gewesene Ueberzeugung, (ob ich gleich nie blos von      
  13 sinnlichen Vortheilen gesprochen, sondern auf die moralischen die      
  14 Aufmerksamkeit vorzüglich zu lenken gesucht) und doch fehlet es mir      
  15 an hinlänglicher Einsicht des bessern. Einem Manne wie Ihnen darf      
  16 ich nicht erst meinen desfalsigen Gemüthszustand schildern, und eben      
  17 so wenig Gründe meiner Vermuthung angeben, daß tausende ihn mit      
  18 mir gemein haben möchten. Bei vielen derselben habe ich gewiß das      
  19 Gefühl des Bedürfnisses nach etwas bessern selbst mit herbeigeführt,      
  20 und dies macht mirs zur Pflicht, für die Befriedigung desselben einen      
  21 Versuch zu wagen.      
           
  22 Zwar hatte mir Ihr würdiger Schüler Heydenreich eine ausführlichere      
  23 Entwickelung seiner Ideen über die Beruhigung versprochen,      
  24 ia in dem letzten Stück der genannten Beiträge (Herr von Baczko in      
  25 Königsberg besitzt diese Schrift) schon ein paar Blätter Vorrede dazu      
  26 geliefert. Allein es ist mir so gut, als gewiß, daß es bei dieser Vorrede      
  27 auch bleiben wird. Denn bei seiner anhaltenden Kränklichkeit      
  28 wird er täglich von Buchhändlern um die Lieferung und Fortsetzung      
  29 größerer Werke so gedrängt, und muß seine Lebenskräfte so übermäßig      
  30 anstrengen, daß ich fürchte, dieses herrliche Genie wird über den Arbeiten      
  31 für seine Erhaltung bald für diese Welt zu Grunde gehen. Ich      
  32 bin es meinem lieben Freunde schuldig, wenigstens mein Mahnen, das      
  33 nun schon 3 Vierteliahre vergebens gewesen, zu seiner Schonung bald      
  34 völlig einzustellen. Welch eine reiche Schadloshaltung für meine in      
  35 Erwartung gesetzten Leser und mich würde es sein, wenn der Verehrungswürdige      
  36 Meister selbst ins Mittel träte!      
           
  37 Ich überlasse es getrost blos der eignen Wichtigkeit des Gegenstandes      
           
     

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