Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 281 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | würde, auch noch ehe ich das geringste von Ihrer Handlungsart im | ||||||
| 02 | bürgerlichen Leben wuste, alles verwettet haben, dass es so sei. | ||||||
| 03 | Von mir habe ich Ihnen, jedoch zu einer Zeit da es mir noch gar | ||||||
| 04 | nicht einfiel je so einen Gebrauch von Ihrer Bekanntschaft zu machen, | ||||||
| 05 | nur eine Kleinigkeit vorgelegt, und mein Character ist wohl noch | ||||||
| 06 | nicht fest genug, um sich in Allem abzudrüken; aber dafür sind | ||||||
| 07 | Euer Wohlgebohrn auch ein ohne Vergleich grössrer Menschenkenner, | ||||||
| 08 | und erbliken vielleicht auch in dieser Kleinigkeit Wahrheitsliebe, | ||||||
| 09 | und Ehrlichkeit, wenn sie in meinem Character sind. | ||||||
| 10 | Endlich - und dies setze ich beschämt hinzu - ist, wenn ich | ||||||
| 11 | fähig sein sollte mein Wort nicht zu halten, auch meine Ehre vor | ||||||
| 12 | der Welt in Ihren Händen. Ich denke unter meinem Namen Schriftsteller | ||||||
| 13 | zu werden; ich werde Sie, wenn ich zurückreisen sollte, um Empfehlungsschreiben | ||||||
| 14 | an einige Gelehrte bitten. Diesen, deren gute Meinung | ||||||
| 15 | ich dann Ihnen dankte, meine Ehrlosigkeit zu melden, wäre, | ||||||
| 16 | meiner Meinung nach, Pflicht; so wie es überhaupt, glaub ich, Pflicht | ||||||
| 17 | wäre, die Welt vor einem so schlechterdings unverbesserlichen Character | ||||||
| 18 | zu warnen, als darzu gehören würde, um zu dem Manne, in | ||||||
| 19 | dessen Atmosphäre der Falschheit weh' werden sollte, zu kommen, | ||||||
| 20 | und durch angenommene Mine der Ehrlichkeit seinen Scharfblik | ||||||
| 21 | täuschen, und der Tugend und der Ehre so gegen ihn zu spotten. | ||||||
| 22 | Das waren die Betrachtungen, die ich anstellte, ehe ichs wagte, | ||||||
| 23 | Euer Wohlgebohrn diesen Brief zu schreiben. Ich bin, zwar mehr | ||||||
| 24 | aus Temperament und durch meine gemachte Erfahrungen, als aus | ||||||
| 25 | Grundsätzen, sehr gleichgültig über das, was nicht in meiner Gewalt | ||||||
| 26 | ist. Ich bin nicht das erstemal in Verlegenheiten, aus denen ich | ||||||
| 27 | keinen Ausweg sehe; aber es wäre das erstemal, dass ich in ih[n]en | ||||||
| 28 | bleibe. Neugier, wie es sich entwikeln wird ist meist alles, was | ||||||
| 29 | ich in solchen Vorfällen fühle. Ich ergreife schlechtweg die Mittel, | ||||||
| 30 | die mir mein Nachdenken, als die besten zeigt, und erwarte dann | ||||||
| 31 | ruhig den Erfolg. Hier kann ich es um destomehr, da ich ihn in | ||||||
| 32 | die Hände eines weissen, und guten Mannes lege. Aber von einer | ||||||
| 33 | andern Seite überschike ich diesen Brief mit einem ungewohnten | ||||||
| 34 | Herzklopfen. Ihr Entschluss mag sein, welcher es will, so verliere | ||||||
| 35 | ich etwas von meiner Freudigkeit zu Ihnen. Ist er bejahend, so | ||||||
| 36 | kann ich das verlohrne einst wieder erwerben; ist er verneinend, | ||||||
| 37 | nie, wie es mir scheint. | ||||||
| [ Seite 280 ] [ Seite 282 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||