Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 457

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 bald dagegen erklären? Kann es nicht gar auf den beleidigenden Verdacht      
  02 fallen: als wären Lobsprüche eines Iakobi im Stande, Ihr      
  03 Handeln oder Nichthandeln zu bestimmen? - ferner: Wir erleben      
  04 wahrscheinlich bald eine Veränderung, von der man (wie von allen      
  05 künftigen Dingen) nicht wissen kann, ob sie der freiern Denkungsart      
  06 günstig sein wird oder nicht? Es müsste aber wohl Ieden, der guten      
  07 Sache u. der Person wegen, schmerzen, wenn man alsdann, mit einigem      
  08 Scheine, den ersten Philosophen unsers Landes und die Philosophie      
  09 überhaupt beschuldigen könnte, den dogmatischen Atheismus zu begünstigen.      
  10 Diese gehässige Beschuldigung könte vielleicht dann von      
  11 Eindruk sein; welcher Eindruk aber völlig geschwächt wäre, wenn Sie      
  12 vorher von aller Verbindung mit diesem fanatischen Atheismus Sich      
  13 losgesagt hätten.      
           
  14 Sie schreiben mir von einer Vertheidigung, die Sie gegen Angriffe      
  15 der Hrn. Feder und Tittel bekannt machen wollen. Es wird, wie      
  16 alles aus Ihrer Feder, lehrreich und dem Publikum angenehm sein.      
  17 Nur kann ich mich gar nicht überzeugen, daß HE Iakobi in der Stelle      
  18 von den bedenklichen Zeichen an zwei verschiedenen Gegenden des litterarischen      
  19 Horizonts, diese von H. F. und T. erregte Fehde verstanden      
  20 habe. Er spricht hier wohl nur von sich; und so anmaßend er auch      
  21 ist, wird er doch nicht Sie und sich, Ihr System und seine Grillen,      
  22 durchaus für gleich halten. Auch glaube ich, kann Ihre Vertheidigung      
  23 dagegen itzt unmöglich so wichtig sein, als jene Erklärung worum ich      
  24 Sie bitte. Ieder vernünftige Mensch zukt die Achseln, wenn er sieht,      
  25 daß ein Feder (und Tittel ist vollends nur der schwache Schatten des      
  26 schwachen F.) einen Kant belehren will. Eine Zurechtweisung darüber      
  27 kann allerdings nicht schaden. Nur jene von Iakobi u. dem Verf. der      
  28 Resultate itzt erregte Gefahr ist wohl dringender; und in der That,      
  29 dünkt mich, zu dringend, als daß Sie in einem Aufsatze, wo Sie selbst      
  30 nur F. und T. beiläufig zurechtweisen wollen, wiederum nur beiläufig      
  31 hiervon reden wollten.      
           
  32 Ich hoffe und weiß, daß Ihre gewohnte Güte mir die Umständlichkeit      
  33 und Offenherzigkeit dieses Briefes zu gute halten wird.      
  34 Entschließen Sie sich darüber wie Sie wollen; nur entziehn Sie mir      
  35 Ihre gütige Freundschaft nie.      
           
  36 Von Besetzung der Stellen auf Ihrer Universität kann ich Ihnen      
  37 nichts melden. Wegen des Befindens in Potsdam ruhn alle Geschäfte.      
           
     

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