Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 456

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ist Iakobis Lehre, und darin Sie zum Genossen zu haben, entblödet      
  02 er sich nicht der Welt einbilden zu wollen.      
           
  03 Sie ermahnen mich, jeden kränkenden Angrif auf H. Iakobi zu      
  04 verhüten. Das eigentlich Kränkende ist nur das Persönliche; u. dessen      
  05 werde ich u. meine Freunde gewiß bei diesem Streite uns immer zu      
  06 enthalten suchen. Zwar hat H. Iakobi sich alles erlaubt, sich zu      
  07 Schimpfworten u. Verläumdungen erniedrigt, sich erlaubt (was freilich      
  08 bei seiner Clique immer von Wirkung ist) Nicolai aufs ungebührlichste      
  09 zu behandeln. Die weitläuftige Reisebeschreibung muß      
  10 auch in diesem Streite herbeigezogen werden; ja gar die armselige, u.      
  11 noch dazu ganz falsche Anekdote von dem Epigramm in den Zeitungen,      
  12 das Nikolai sowenig als ich u. Sie gemacht hat, sondern daß ein      
  13 Impromptü des hiesigen Polizeipräsidenten Philippi am Tische des      
  14 Gouverneurs war. Dabei ist die ganze Schrift in einem so unedel      
  15 arroganten, kindisch eitlen, verächtlich egoistischen Tone geschrieben, als      
  16 die deutsche Sprache nicht leicht sonst noch ein Werk aufzuweisen hat.      
  17 Wer so in der Form schreibt, u. dazu in der Materie Unrecht hat,      
  18 kränkt wohl nicht bloß seine Zeitgenossen, sondern die Vernunft selbst      
  19 so bitter, daß kaum eine gleichmäßige Erwiederung möglich ist.      
  20 Indeß, das mögen Rezensenten u. wer eigentlich Theil am Streite hat,      
  21 ausmachen. Nur Sie, theurester, vortreflicher Mann, beschwöre ich,      
  22 durch keine Rücksicht u. Schonung Sich bewegen zu lassen, Ihrem ersten      
  23 Plane ungetreu zu werden, ich beschwöre Sie, Ihren heilenden Stein      
  24 der Minerva auf die Rasenden zu werfen, u. wenigstens itzt das      
  25 Publikum baldigst u. nachdrücklichst zu belehren: daß H. Iakobi Sie      
  26 mißverstanden hat, u. daß Sie nie ein Mitgenoß in der christlichen      
  27 Gesellschaft zur Beförderung des Atheismus und Fanatismus sein      
  28 können. Wahrscheinlich ist Ihnen eine jede öffentliche geradezu gegen      
  29 einen Andern gerichtete Erklärung von Herzen zuwider; desto unartiger      
  30 ist die Zudringlichkeit des HE. Iakobi. Ob aber hierbei Ihr Widerwille      
  31 gegen Streitigkeiten der Liebe zur Wahrheit das Gleichgewicht      
  32 halten darf, überlasse ich Ihrer eignen Entscheidung. - Erlauben Sie      
  33 nur, daß ich noch zwei etwas persönlichere Betrachtungen zufüge. Es      
  34 ist in der That beleidigend für Sie, daß ein so schwärmerischer Kopf,      
  35 der noch dazu mit solcher Gallenbitterkeit des Herzens schreibt, als      
  36 H. I., sich so vertraulich Ihnen zur Seite stellen darf. Das Publikum      
  37 ist natürlich aufmerksam, u. was wird es denken, wenn Sie Sich nicht      
           
     

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