Kant: AA X, Briefwechsel 1782 , Seite 300

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 vermöge welcher denen Curländern verbothen worden, ihr Getreyde      
  02 und übrige Lebens Mittel durch ihre eigene Häfen zu verschiffen, sondern      
  03 solches nach Riga zu führen. Bißhero ist Curland noch immer von      
  04 Ukasen befreyet gewesen. Wann Rußische Truppen im Lande waren,      
  05 so bekamen die Befehlshaber wohl Ukasen, die einen Bezug auf unser      
  06 Land hatten, und sie veranlaßten mit der Regierung oder mit dem      
  07 Adel zu conferiren, allein directe an die Regierung oder dem Adel ist      
  08 noch niemahlen eine Ukase gerichtet gewesen. Eine ähnliche Bewandni      
  09 hat es mit der Ukase, deren Ew. HochEdelgeb: in Dero Schreiben      
  10 erwehnen. Diese ist an den General Brown als Gouverneur von      
  11 Lieffland gerichtet gewesen, nicht aber in der Art, daß dem Hertzog      
  12 und dem Lande befohlen werden soll, sondern vom Hertzog eine Erklährung      
  13 begehrt werden mögte, daß er den zwischen den Hertzog Friedrich      
  14 von Curland und der Stadt Riga im Iahr 1615 errichteten Vertrag      
  15 in Erfüllung zu bringen, die gehörige Anordnung machen mögte.      
           
  16 Dieser Vertrag hat einigen gewinnsüchtigen Leüten, die Veranlaßung      
  17 gegeben bey dem Commercien Collegio in Petersburg eine Vorstellung      
  18 einzugeben und eine Ukase durch das Vorwort solcher Persohnen zu      
  19 exportiren, die eben so wenig wißen, daß die Geschichte eines Vertrags,      
  20 den Sinn deßselben erkläret, als sie den titulum de interpretatione      
  21 verborum aus des Grotius oder Puffendorf Jus naturae kennen. Weil ich      
  22 mit einem Gelehrten correspondire und mit einem Manne, der von      
  23 jeder Sache gerne gründlich urtheilen zu können, wünschet, in Historischen      
  24 Fällen aber richtige Data und facta, dazu erforderlich sind, so erlauben      
           
  25 Ew. HochEdelgeb: daß ich denenselben einen Statum causae, so      
  26 Summarisch als es nur mir wird möglich seyn, von dieser Angelegenheit      
  27 communicire.      
  28 Wann Ew: HochEdelgeb: die Carte von Lieffland und Curland      
  29 vor sich nehmen und die ersten Verhandlungen dazugenommen werden,      
  30 welche abgeschloßen worden, als sich das Herzogthum Curland durch      
  31 seine neüe eigengewählte RegierungsVerfaßung von dem übrigen      
  32 Lieffland trennte, so findet man, daß die Dwina vorzüglich zur Grentzlinie      
  33 bestimmt worden. Diese sonst ziemlich sichere Bestimmung der      
  34 Grentzen, gab aber in der Folge Anlaß zu allerhand Streitigkeiten mit      
  35 der Stadt Riga, die bald das Dominium utile auf diesen Fluß, bald      
  36 den Handel zum Gegenstand hatten: Diese Händel fiengen gleich zu      
  37 Herzogs Gotthards Zeiten, an, der doch der erste Herzog war, und      
           
     

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