Kant: AA VIII, Etwas über den ... , Seite 319

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wenn es also darauf ankommt a priori zu entscheiden: ob der Mond      
  02 auf Witterungen Einfluß habe oder nicht, so kann von dem Licht, welches      
  03 er auf die Erde wirft, nicht die Rede sein; und es bleibt folglich nur seine      
  04 Anziehungskraft (nach allgemeinen Gravitationsgesetzen) übrig, woraus      
  05 diese Wirkung auf die Atmosphäre erklärlich sein müßte. Nun kann seine      
  06 unmittelbare Wirkung durch diese Kraft nur in der Vermehrung oder      
  07 Verminderung der Schwere der Luft bestehen; diese aber, wenn sie merklich      
  08 sein soll, muß sich am Barometer beobachten lassen. Also würde obiger      
  09 Ausspruch (A) so lauten: Die mit den Mondsstellungen regelmäßig zusammenstimmenden      
  10 Veränderungen des Barometerstandes lassen sich nicht      
  11 aus der Attraction dieses Erdtrabanten begreiflich machen. Denn      
           
  12 1) läßt sich a priori darthun: daß die Mondesanziehung, sofern dadurch      
  13 die Schwere unsrer Luft vermehrt oder vermindert werden mag, viel      
  14 zu klein sei, als daß diese Veränderung am Barometer bemerkt werden      
  15 könnte (Lulof's Einleitung zur mathem. und physik. Kenntniß der      
  16 Erdkugel, § 312): man mag sich nun die Luft bloß als flüssiges (nicht      
  17 elastisches) Wesen denken, wo ihre Oberfläche bei der durch des Mondes      
  18 Anziehung veränderten Richtung der Schwere derselben völlig Wasserpa      
  19 halten würde; oder zugleich, wie sie es wirklich ist, als elastische Flüssigkeit,      
  20 wo noch die Frage ist, ob ihre gleichdichte Schichten in verschiednen      
  21 Höhen auch da noch im Gleichgewicht bleiben würden, welches letztere zu erörteren      
  22 aber hier nicht der Ort ist.      
           
  23 2) beweiset die Erfahrung diese Unzulänglichkeit der Mondesanziehung      
  24 zur merklichen Veränderung der Luftschwere. Denn sie müßte sich      
  25 wie die Ebbe und Fluth in 24 Stunden zweimal am Barometer zeigen;      
  26 wovon aber nicht die mindeste Spur wahrgenommen wird*).      
           
           
    *) Man muß sich nur richtige Begriffe von der Wirkung der Anziehungen des Mondes und der Sonne machen, sofern sie unmittelbaren Einfluß auf den Barometerstand haben mögen. Wenn das Meer (und so auch die Atmosphäre) fluthet, und so die Säulen dieses Flüssigen höher werden: so stellen sich manche vor, das Gewicht derselben (so wie der Druck der Luft aufs Barometer) müsse nach der Theorie größer (mithin der Barometerstand höher) werden; aber es ist gerade umgekehrt. Die Säulen steigen nur darum, weil sie durch die äußere Anziehung leichter werden; da sie nun im offenen Meere niemals Zeit genug bekommen die ganze Höhe zu erreichen, die sie vermöge jener Anziehungen annehmen würden, wenn Mond und Sonne in der Stellung ihres größten vereinigten Einflusses stehen bleiben: so muß an dem Orte der größten Fluth der Druck des Meeres (und so auch der Druck der Luft aufs Barometer) kleiner, mithin auch der [Seitenumbruch] Barometerstand niedriger, zur Ebbezeit aber höher sein. - Sofern stimmen also die Regeln des Toaldo gar wohl mit der Theorie zusammen: daß nämlich das Barometer in den Syzygien im Fallen, in den Quadraturen aber im Steigen sei: wenn die letztere es nur begreiflich machen könnte, wie die Anziehungen jener Himmelskörper überhaupt auf den Barometerstand merklichen Einfluß haben können. Was aber den außerordentlich hohen Stand der See in Meerengen und langen Busen, vornehmlich zur Zeit der Springfluth betrifft, so kommt dieser bei unsrer Aufgabe gar nicht in Anschlag: weil er nicht unmittelbar und hydrostatisch von der Anziehung, sondern nur mittelbar durch eine von jener Veränderung herrührende Strombewegung, also hydraulisch, bewirkt wird; und so mag es auch wohl mit den Winden beschaffen sein, wenn sie, durch jene Anziehung in Bewegung gesetzt, durch Vorgebirge, Seestraßen und ihnen allein offen bleibende Engen in einem Inselmeer zu streichen genöthigt werden.      
           
     

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