Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 195

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Die Kritik hinzufügt, daß er nämlich noch einer Anschauung bedürfe, wodurch      
  02 diese Realität allererst erweislich sei. Nun ist klar, daß der Satz      
  03 des Widerspruchs ein Princip ist, welches von allem überhaupt gilt, was      
  04 wir nur denken mögen, es mag ein sinnlicher Gegenstand sein und ihm      
  05 eine mögliche Anschauung zukommen, oder nicht: weil er vom Denken überhaupt      
  06 ohne Rücksicht auf ein Object gilt. Was also mit diesem Princip      
  07 nicht bestehen kann, ist offenbar nichts (gar nicht einmal ein Gedanke).      
  08 Wollte er also die objective Realität des Begriffs vom Grunde einführen,      
  09 ohne sich doch durch die Einschränkung auf Gegenstände sinnlicher Anschauung      
  10 binden zu lassen, so mußte er das Princip, was vom Denken      
  11 überhaupt gilt, dazu brauchen, den Begriff des Grundes, diesen aber      
  12 auch so stellen, daß er, ob er zwar in der That blos logische Bedeutung hat,      
  13 dabei doch schiene die Realgründe (mithin den der Causalität) unter      
  14 sich zu befassen. Er hat aber dem Leser mehr treuherzigen Glauben zugetraut,      
  15 als sich bei ihm auch bei der mittelmäßigsten Urtheilskraft voraus      
  16 setzen läßt.      
           
  17 Allein wie es bei Listen zuzugehen pflegt, so hat sich Herr Eberhard      
  18 durch die seinige selbst verwickelt. Vorher hatte er die ganze Metaphysik      
  19 an zwei Thürangeln gehangen: den Satz des Widerspruchs und den des      
  20 zureichenden Grundes; und er bleibt durchgängig bei dieser seiner Behauptung,      
  21 indem er Leibnizen (nämlich nach der Art, wie er ihn auslegt)      
  22 zu Folge den ersten durch den zweiten zum Behuf der Metaphysik      
  23 ergänzen zu müssen vorgiebt. Nun sagt er S. 163: "Die allgemeine      
  24 Wahrheit des Satzes des zureichenden Grundes kann nur aus diesem (dem      
  25 Satze des Widerspruchs) demonstrirt werden", welches er denn gleich      
  26 darauf muthig unternimmt. So hängt ja aber alsdann die ganze Metaphysik      
  27 wiederum nur an einem Angel, da es vorher zwei sein sollten;      
  28 denn die bloße Folgerung aus einem Princip, ohne daß im mindesten eine      
  29 neue Bedingung der Anwendung hinzukäme, sondern in der ganzen Allgemeinheit      
  30 desselben, ist ja kein neues Princip, welches die Mangelhaftigkeit      
  31 des vorigen ergänzte!      
           
  32 Ehe Herr Eberhard aber diesen Beweis des Satzes vom zureichenden      
  33 Grunde (mit ihm eigentlich die objective Realität des Begriffs einer      
  34 Ursache, ohne doch etwas mehr als den Satz des Widerspruchs zu bedürfen)      
  35 aufstellt, spannt er die Erwartung des Lesers durch einen gewissen Pomp      
  36 der Eintheilung S. 161 - 162 und zwar wiederum durch Vergleichung      
  37 seiner Methode mit der der Mathematiker, welche ihm aber jederzeit verunglückt.      
           
     

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