Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 172

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Sonne hinzukommt, verdeckt werden und ein gleichartiger Schlag (der      
  02 Farbe nach) zu sein scheinen würde. Also beweiset dieser projectirte      
  03 Versuch nichts wider die Tauglichkeit der nothwendig=erblichen Hautfarbe      
  04 zu einer Racenunterscheidung, sondern nur die Schwierigkeit, dieselbe, so      
  05 fern sie angeboren ist, an Orten richtig bestimmen zu können, wo die      
  06 Sonne sie noch mit zufälliger Schminke überdeckt,und bestätigt die Rechtmäßigkeit      
  07 meiner Forderung, Zeugungen von denselben Eltern im      
  08 Auslande zu diesem Behuf vorzuziehen.      
           
  09 Von den letzteren haben wir nun ein entscheidendes Beispiel an der      
  10 indischen Hautfarbe eines seit einigen Jahrhunderten in unsern nordischen      
  11 Ländern sich fortpflanzenden Völkchens, nämlich den Zigeunern. Da      
  12 sie ein indisches Volk sind, beweiset ihre Sprache unabhängig von ihrer      
  13 Hautfarbe. Aber diese zu erhalten ist die Natur so hartnäckig geblieben,      
  14 daß, ob man zwar ihre Anwesenheit in Europa bis auf zwölf Generationen      
  15 zurück verfolgen kann, sie noch immer so vollständig zum Vorschein kommt,      
  16 daß, wenn sie in Indien aufwüchsen, zwischen ihnen und den dortigen      
  17 Landeseingebornen allem Vermuthen nach gar kein Unterschied angetroffen      
  18 werden würde. Hier nun zu sagen, daß man noch 12 mal      
  19 12 Generationen warten müsse, bis die nordische Luft ihre anerbende      
  20 Farbe völlig ausgebleicht haben würde, hieße den Nachforscher mit dilatorischen      
  21 Antworten hinhalten und Ausflüchte suchen. Ihre Farbe aber      
  22 für bloße Varietät ausgeben, wie etwa die des brünetten Spaniers gegen      
  23 den Dänen heißt das Gepräge der Natur bezweifeln. Denn sie zeugen      
  24 mit unseren alten Eingebornen unausbleiblich halbschlächtige Kinder, welchem      
  25 Gesetze die Race der Weißen in Ansehung keiner einzigen ihrer      
  26 charakteristischen Varietäten unterworfen ist.      
           
  27 Aber Seite 155 - 156 tritt das wichtigste Gegenargument auf, wodurch      
  28 im Falle, daß es gegründet wäre, bewiesen werden würde, daß, wenn      
  29 man mir auch meine ursprünglichen Anlagen einräumte, die Angemessenheit      
  30 der Menschen zu ihren Mutterländern bei ihrer Verbreitung      
  31 über die Erdfläche damit doch nicht bestehen könne. Es ließe sich,      
  32 sagt Hr. F., allenfalls noch vertheidigen, daß gerade diejenigen Menschen,      
  33 deren Anlage sich für dieses oder jenes Klima paßt, da oder      
  34 dort durch eine weise Fügung der Vorsehung geboren würden: aber,      
  35 fährt er fort, wie ist denn eben diese Vorsehung so kurzsichtig geworden,      
  36 nicht auf eine zweite Verpflanzung zu denken, wo jener Keim, der      
  37 nur für ein Klima taugte, ganz zwecklos geworden wäre.      
           
           
     

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