Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 210

   
         
 

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  01 Leitern gewarnt, "nichts anders darin zu finden, als was diese darin    
  02 zu finden versichern", und überall ist mechanische Handhabung der Menschen    
  03 unter dem Regiment Anderer das sicherste Mittel zu Befolgung    
  04 einer gesetzlichen Ordnung.    
         
  05 Gelehrte lassen sich in Ansehung der häuslichen Anordnungen gemeiniglich    
  06 gern von ihren Frauen in der Unmündigkeit erhalten. Ein unter    
  07 seiner Büchern begrabener Gelehrter antwortete auf das Geschrei eines    
  08 Bedienten, es sei in einem der Zimmer Feuer: "Ihr wißt, daß dergleichen    
  09 Dinge für meine Frau gehören." - Endlich kann auch von Staats    
  10 wegen die schon erworbene Mündigkeit eines Verschwenders einen Rückfall    
  11 in die bürgerliche Unmündigkeit nach sich ziehen, wenn er nach dem gesetzlichen    
  12 Eintritt in die Majorennität eine Schwäche des Verstandes in    
  13 Absicht auf die Verwaltung seines Vermögens zeigt, die ihn als Kind oder    
  14 Blödsinnigen darstellt; worüber aber das Urtheil außer dem Felde der    
  15 Anthropologie liegt.    
         
  16 § 49. Einfältig ( hebes ), ähnlich einem nicht gestählten Messer [ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 219)]    
  17 oder Beil, ist der, welchem man nichts beibringen kann; der zum Lernen    
  18 unfähig ist. Der nur zum Nachahmen geschickt ist, heißt ein Pinsel; dagegen    
  19 der, welcher selbst Urheber eines Geistes= oder Kunstproducts sein    
  20 kann, ein Kopf. Ganz unterschieden ist davon Einfalt (im Gegensatz    
  21 der Künstelei), von der man sagt: "Vollkommene Kunst wird wieder    
  22 zur Natur" und zu der man nur spät gelangt, ein Vermögen durch Ersparung    
  23 der Mittel - d. i. ohne Umschweif - zu eben demselben Zweck    
  24 zu gelangen. Der diese Gabe besitzt (der Weise), ist bei seiner Einfalt    
  25 gar nicht einfältig.    
         
  26 Dumm heißt vornehmlich der, welcher zu Geschäften nicht gebraucht    
  27 werden kann, weil er keine Urtheilskraft besitzt.    
         
  28 Thor ist der, welcher Zwecken, die keinen Werth haben, das aufopfert,    
  29 was einen Werth hat: z. B. die häusliche Glückseligkeit dem Glanz    
  30 außer seinem Hause. Die Thorheit, wenn sie beleidigend ist, heißt Narrheit.    
  31 Man kann jemanden thöricht nennen, ohne ihn zu beleidigen:    
  32 ja er kann es selbst von sich gestehen; aber das Werkzeug der Schelme    
  33 (nach Pope), Narr, genannt zu heißen, kann niemand gelassen anhören.*)    
  34 Hochmuth ist Narrheit, denn erstlich ist es thöricht, Anderen    
         
    *) Wenn man jemanden auf seine Schwänke erwidert: ihr seid nicht klug, so ist das ein etwas platter Ausdruck für: ihr scherzt, oder: ihr seid gescheut. - [Seitenumbruch] Ein gescheuter Mensch ist ein richtig und praktisch, aber kunstlos urtheilender Mensch. Erfahrung kann zwar einen gescheuten Menschen klug, d. i. zum künstlichen Verstandesgebrauch geschickt, die Natur aber allein ihn gescheut machen.    
         
     

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