Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 192

   
         
 

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  01 der zur Moralität, welche das Wesen aller Religion ausmacht,    
  02 mithin zur reinen Vernunft gehörigen Begriffe (Ideen genannt), das    
  03 Symbolische vom Intellectuellen (Gottesdienst von Religion), die zwar    
  04 einige Zeit hindurch nützliche und nöthige Hülle von der Sache selbst zu    
  05 unterscheiden, ist Aufklärung: weil sonst ein Ideal (der reinen praktischen    
  06 Vernunft) gegen ein Idol vertauscht und der Endzweck verfehlt    
  07 wird. - Daß alle Völker der Erde mit dieser Vertauschung angefangen    
  08 haben, und daß, wenn es darum zu thun ist, was ihre Lehrer selbst bei    
  09 Abfassung ihrer heiligen Schriften wirklich gedacht haben, man sie alsdann    
  10 nicht symbolisch, sondern buchstäblich auslegen müsse, ist nicht zu    
  11 streiten: weil es unredlich gehandelt sein würde, ihre Worte zu verdrehen.    
  12 Wenn es aber nicht blos um die Wahrhaftigkeit des Lehrers, sondern    
  13 auch und zwar wesentlich um die Wahrheit der Lehre zu thun ist, so    
  14 kann und soll man diese, als bloße symbolische Vorstellungsart, durch eingeführte    
  15 Förmlichkeit und Gebräuche jene praktischen Ideen zu begleiten    
  16 auslegen: weil sonst der intellectuelle Sinn, der den Endzweck ausmacht,    
  17 verloren gehen würde.    
         
  18 § 39. Man kann die Zeichen in willkürliche (Kunst=), in natürliche    
  19 und in Wunderzeichen eintheilen.    
         
  20 A. Zu den ersteren gehören 1. die der Geberdung (mimische, die    
  21 zum Theil auch natürliche sind); 2. Schriftzeichen (Buchstaben, welche    
  22 Zeichen für Laute sind); 3. Tonzeichen (Noten); 4. zwischen Einzelnen    
  23 verabredete Zeichen blos fürs Gesicht (Ziffern); 5. Standeszeichen    
  24 freier, mit erblichem Vorrang beehrter Menschen (Wappen); 6. Dienstzeichen    
  25 in gesetzlicher Bekleidung (Uniform und Liverei); 7. Ehrenzeichen    
  26 des Dienstes (Ordensbänder); 8. Schandzeichen (Brandmark    
  27 u. d. g.). - Dazu gehören in Schriften die Zeichen der Verweilung, der    
  28 Frage oder des Affects, der Verwunderung (die Interpunctionen).    
  29 Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken, und umgekehrt die vorzüglichste    
         
  30 Art der Gedankenbezeichnung ist die durch Sprache, dieses größte    
  31 Mittel, sich selbst und andere zu verstehen. Denken ist Reden mit sich    
  32 selbst (die Indianer auf Otaheite nennen das Denken: die Sprache im    
  33 Bauch), folglich sich auch innerlich (durch reproductive Einbildungskraft)    
  34 Hören. Dem Taubgebornen ist sein Sprechen ein Gefühl des Spiels seiner    
  35 Lippen, Zunge und Kinnbackens, und es ist kaum möglich, sich vorzustellen,    
  36 daß er bei seinem Sprechen etwas mehr thue als ein Spiel mit körperlichen    
  37 Gefühlen zu treiben, ohne eigentliche Begriffe zu haben und zu denken.    
         
     

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